Mittwoch29. Oktober 2025

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KriegUkraine beklagt russischen Angriff auf Kinderkrankenhaus

Krieg / Ukraine beklagt russischen Angriff auf Kinderkrankenhaus
Eine Frau steht mit ihrem Gepäck vor einer durch einen Angriff beschädigten Geburtsklinik in Mariupol Foto: Evgeniy Maloletka/AP/dpa

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Der Krieg in der Ukraine wird für die Bewohner von Großstädten immer bedrohlicher. Am Mittwoch scheiterte erneut ein Großteil der Versuche, Zivilisten über abgesprochene Fluchtwege aus den umkämpften Städten zu evakuieren. Beide Seiten hielten sich gegenseitig vor, geplante Feuerpausen gebrochen oder nicht eingehalten zu haben. Die Regierung in Kiew warf der russischen Armee zudem Angriffe auf zivile Ziele vor.

Russland habe während einer geplanten Waffenruhe ein Kinderkrankenhaus in der umzingelten Hafenstadt Mariupol im Südosten bombardiert, erklärte die dortige Stadtverwaltung. Das Hospital sei mehrere Male getroffen worden. „Die Zerstörung ist immens“, hieß es in einer Online-Mitteilung der Kommune. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach von einer Gräueltat. „Menschen, Kinder liegen unter den Trümmern“, twitterte er. 17 Menschen seien dabei verletzt worden, darunter Frauen in den Wehen, sagte der Gouverneur der Donezk-Region, Pawlo Kyrylenko. Der russische Regierungssprecher Dmitri Peskow antwortete auf die Bitte von Reuters um eine Stellungnahme: „Russische Kräfte feuern nicht auf zivile Ziele.“

Vor den – nach ukrainischer Darstellung – russischen Angriffen auf das Krankenhaus hatte Außenminister Dmytro Kuleba den russischen Truppen vorgeworfen, eine Feuerpause gebrochen zu haben. „Russland hält weiterhin über 400.000 Menschen in Mariupol als Geiseln, blockiert humanitäre Hilfe und Evakuierung.“ Das Rote Kreuz bezeichnete die Lage dort als apokalyptisch. Es sollen Trinkwasser, Lebensmittel und Medikamente fehlen.

Einen gescheiterten Fluchtversuch meldeten auch lokale Behörden in Butscha, einem Ort vor Kiew. Demnach hinderten russische Soldaten einen Konvoi von 50 Bussen daran, Butscha zu verlassen. In anderen Orten klappten dagegen die Abtransporte der Zivilisten. Nach Darstellung lokaler Beamter gelang dies unter anderem in Sumy in der Ostukraine und Enerhodar im Süden.

Bewohner dienen Russen als Schutzschild

Binnen weniger Tage hat sich die Frontlinie rund um die ukrainische Hauptstadt deutlich verschoben: Stand die russische Armee vor fünf Tagen noch rund hundert Kilometer nordöstlich von Kiew entfernt, waren es am Mittwoch nur noch rund 15 Kilometer. Bewohner der Hauptstadtregion berichteten von sich intensivierenden Kämpfen. „Sie schießen, um die Menschen zu verängstigen und sie dazu zu zwingen, zu Hause zu bleiben“, sagte der 41-jährige Wolodymyr aus dem nahe Browary gelegenen Dorf Welyka Dymerka. Die russischen Soldaten mischten sich „unter die Bewohner, damit die ukrainischen Streitkräfte sie nicht bombardieren“. Angesichts des rasanten Vorrückens der russischen Armee wächst in der Ukraine die Angst vor einer Einkesselung Kiews.

Sie schießen, um die Menschen zu verängstigen und sie dazu zu zwingen, zu Hause zu bleiben

Wolodymyr, Bewohner aus Welyka Dymerka

Vor den am heutigen Donnerstag geplanten Gesprächen des russischen Außenministers Sergej Lawrow mit seinem ukrainischen Kollegen Kuleba in der Türkei, deutete ein Berater von Selenskyj Kompromissbereitschaft an. Demnach könnte die Ukraine im Gegenzug für Sicherheitsgarantien auf einen NATO-Beitritt verzichten. Als weiteres Zugeständnis an Moskau erklärte Selenskyj sich zu einem „Kompromiss“ über den Status der Separatisten-Gebiete Luhansk und Donezk im Osten der Ukraine bereit. Selenskyjs außenpolitischer Berater Ihor Tschowka sagte in der ARD, auch Fragen zur „Neutralität“ der Ukraine ließen sich in Verhandlungen mit Moskau diskutieren.

Der Kreml hatte am Mittwoch von „Fortschritten“ in den Gesprächen mit Kiew gesprochen. Außenamtssprecherin Maria Sacharowa erklärte zudem, die russischen Truppen hätten nicht den Auftrag, „die aktuelle Regierung zu stürzen“ oder die „Eigenstaatlichkeit“ der Ukraine zu zerstören. Kreml-Chef Wladimir Putin hatte den Angriff auf die Ukraine damit begründet, das Nachbarland „entmilitarisieren“ und „entnazifizieren“ zu wollen. Das Treffen in Antalya ist die erste Begegnung auf Regierungsebene seit Beginn der russischen Invasion am 24. Februar.

EU verhängt weitere Sanktionen

Besondere Sorge bereitete die Ruine des Atomkraftwerks Tschernobyl im Norden der Ukraine, wo es 1986 zum bislang schwerwiegendsten Unfall in einem Reaktor gekommen war und der seitdem ständig gekühlt werden muss. Die ukrainische Regierung forderte eine Feuerpause, um die Stromleitung zum Atomkraftwerk reparieren zu können. Außenminister Kuleba warnte, es gebe für die Dieselgeneratoren, die bei Stromausfällen einspringen, nur noch Treibstoff für 48 Stunden.

Russland drohte erneut mit Vergeltung für die westlichen Sanktionen und wertete das Verbot von Importen russischen Öls in die USA als Wirtschaftskrieg. Die russische Regierung werde genau prüfen, welche Schritte sie unternehme, kündigte Peskow an. Auch die EU beschloss weitere Sanktionen gegen 14 russische Oligarchen sowie gegen die belarussische Zentralbank und drei Privatbanken des Landes. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen zeigte sich optimistisch, dass die EU ihre Energieabhängigkeit von Russland schneller reduzieren kann als gedacht. Die EU-Staaten hätten bereits so viel Flüssiggas (LNG) eingekauft, dass man in diesem Winter ohne russisches Gas auskommen könne, sagte sie. (Reuters/AFP)