Sie habe seit acht Jahren ihre Kinder nicht gesehen, sagte Mohammadi. Einen Großteil der vergangenen Jahre habe sie im Gefängnis verbracht und „fast keine Perspektive auf Freiheit“. Dennoch führe sie ihren Kampf weiter. Die Proteste nach dem Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini in Polizeigewahrsam, die im September 2022 begannen, konnte Mohammadi nur aus dem Gefängnis heraus verfolgen.
Die Proteste hätten die große Unzufriedenheit der Menschen im Iran deutlich gemacht, schrieb die Frauenrechtlerin. „Die Regierung war nicht in der Lage, die Proteste der Menschen im Iran zu unterbinden, und ich glaube, dass die Gesellschaft Dinge erreicht hat, die das Fundament der religiös-autoritären Herrschaft geschwächt haben.“ Mit Verweis auf wiederholte vorige Proteste fügte sie hinzu: „Wir haben in den vergangenen Jahren Protestzyklen gesehen und das zeigt das unumkehrbare Wesen der Situation und den Spielraum für eine Ausweitung der Proteste.“
Nach „44 Jahren der Unterdrückung, Diskriminierung und anhaltender Repression der Regierung gegen Frauen im öffentlichen und Privatleben“ hätten die Proteste den Prozess zu „Demokratie, Frieden und Gleichheit im Iran“ beschleunigt, argumentierte Mohammadi. Die Proteste hätten Menschen „jenseits urbaner Zentren und gebildeter Gruppen“ erreicht.
Mit Blick auf die Autorität Teherans sagte die 51-Jährige, die „Schwächung des religiösen Elements“ habe ein Vakuum kreiert, „das die Regierung nicht mit anderen wirtschaftlichen oder sozialen Faktoren zu füllen in der Lage war“. Das hänge damit zusammen, dass die Regierung „im Grunde ineffektiv und korrupt“ sei.
Kritik übte Mohammadi am Verhalten westlicher Länder, das sie als „Beschwichtigungspolitik“ verurteilte. Ausländische Regierungen hätten „nicht die progressiven Kräfte und Anführer im Iran anerkannt“ und stattdessen mit ihrer Politik das „religiös-autoritäre System“ aufrechterhalten.
Die Frauenrechtsaktivistin sitzt derzeit eigenen Angaben zufolge eine kombinierte Haftstrafe von zehn Jahren und neun Monaten ab. Sie sei zudem zu 154 Peitschenhieben verurteilt worden und wegen ihrer Aktivitäten während der Haft seien zudem fünf Verfahren gegen sie anhängig.
Das Gefängnis als Kern des Widerstands
Trotz mangelnder Aussicht auf eine baldige Haftentlassung behält Mohammadi „die Hoffnung darauf, das Licht der Freiheit zu sehen und ihre Stimme zu hören“. Im Gefängnis organisiert sie Diskussionen im Frauentrakt sowie gemeinsames Singen und Tanzen. „Das Gefängnis war schon immer der Kern der Opposition, des Widerstands und Kampfes in meinem Land“, schrieb sie AFP.
Der Frauentrakt im Ewin-Gefängnis sei „einer der aktivsten, widerstandsfähigsten und fröhlichsten Quartiere politischer Gefangener im Iran“, befand Mohammadi. Während ihrer Zeit im Gefängnis habe sie insgesamt mit mindestens 600 Frauen die Haft geteilt, erläuterte sie. „Und ich bin stolz auf jede von ihnen.“
Doch die Kosten ihres Aktivismus sind immens. Sie hat einen Großteil der Kindheit ihrer inzwischen 17-jährigen Zwillinge Kiana und Ali verpasst, die inzwischen mit ihrem Mann Taghi Rahmani in Frankreich leben. Nicht nur hat sie ihre Kinder seit acht Jahren nicht gesehen, wegen der vom Gefängnis auferlegten Beschränkungen hat sie auch seit mehr als eineinhalb Jahren ihre Stimmen nicht mehr gehört.
„Mein unheilbarstes und unbeschreiblichstes Leiden ist die Sehnsucht nach meinen Kindern, aus deren Leben ich mich verabschieden musste, als sie acht Jahre alt waren“, schrieb Mohammadi. Der Preis für ihre politische Arbeit sei also „nicht nur Folter und Gefängnis“, sondern auch ein gebrochenes Herz „und ein Schmerz, der bis ins Mark geht“. Bis im Iran „Demokratie, Gleichheit und Freiheit“ erreicht seien, werde sie aber „weiter kämpfen und Opfer bringen“. (AFP)
De Maart
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