Es ist ein langer Weg, der vergeblich sein könnte: Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) setzt darauf, in dieser Legislaturperiode doch noch in den Bundestag einzuziehen. Denn die erst Anfang 2024 gegründete Partei hat bei der Bundestagswahl am 23. Februar den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde nicht geschafft. Nur etwa 9.500 Zweitstimmen sollen gefehlt haben, also 0,19 Promille. Daher legte das BSW am Mittwoch offiziell Einspruch gegen das Wahlergebnis ein.
Sahra Wagenknecht sagte dem Tageblatt: „Laut unserer Recherche spricht viel dafür, dass das BSW die Fünf-Prozent-Hürde bei der Bundestagswahl geschafft hat.“ Sie betonte: „Es gibt offenkundig systematische Zählfehler im Promillebereich zulasten von Parteien, die weit unten auf dem Wahlzettel stehen.“ Ein geringer Teil davon sei auf dem Weg vom vorläufigen zum amtlichen Endergebnis korrigiert worden, wo das BSW aufgrund sehr selektiver Überprüfungen bereits über 4.000 Stimmen und damit im Vergleich zu den anderen Parteien weit überproportional dazugewonnen habe. Wagenknecht gab zu bedenken: „Viele Unregelmäßigkeiten wurden aber gar nicht überprüft, zumal das BSW bei den wenigen Neuauszählungen, die es gab, sogar in völlig unauffälligen Wahllokalen so viele Stimmen dazugewonnen hat, dass allein das hochgerechnet auf die Bundesebene über 20.000 Stimmen zusätzlich wären.“
Die Partei sieht mehrere Gründe, die zu Fehlern bei der Auszählung geführt haben könnten: Dazu gehört unter anderem die Namensähnlichkeit mit dem Bündnis Deutschland und die Platzierung des BSW auf Wahlzetteln knapp unter einer Faltung – weshalb Stimmen übersehen worden seien. Laut Wahlprüfungsgesetz kann jeder Wahlberechtigte binnen zwei Monaten nach einer bundesweiten Wahl schriftlich Einspruch einlegen. Darüber berät der Wahlprüfungsausschuss, doch die Entscheidung trifft anschließend das Parlament. Dagegen kann wiederum Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt werden.
Streit wegen Regierungsbeteiligung
Würde es dem BSW tatsächlich gelingen, in den Bundestag einzuziehen, hätte das voraussichtlich drastische Konsequenzen: Die 630 Mandate müssten neu aufgeteilt werden und die geplante schwarz-rote Koalition hätte wohl keine Mehrheit mehr. So höhnte Wagenknecht mit Blick auf CDU-Chef Friedrich Merz: „Damit hätte Merz für seine schwarz-rote Wahlbetrugs-Koalition keine Mehrheit mehr.“ Das BSW verlange nicht mehr und nicht weniger, als dass jede Stimme, die für das BSW abgegeben wurde, auch für das BSW zähle, sagte sie. „Das ist bisher definitiv nicht der Fall.“
Während die Stimme des BSW im Bundestag verstummt ist, hört und sieht man inzwischen vor allem Politiker der Partei, die Teil von Regierungen sind – und eher nicht für die dogmatische Politik von Sahra Wagenknecht stehen. Das passt der Parteigründerin nicht, die die Regierungsbeteiligung in Thüringen und Brandenburg für den Rückgang der Zustimmung für das BSW verantwortlich macht.
Die bekannteste Gegenspielerin von Wagenknecht ist Thüringens BSW-Ministerin Katja Wolf, eine pragmatische, ehemalige Kommunalpolitikerin. Im vergangenen Jahr war Wolf mit dem erklärten Ziel bei der Landtagswahl angetreten, zu verhindern, dass AfD-Rechtsaußen Björn Höcke an die Macht kommt. Als das BSW dort auf Anhieb zweistellig wurde, begann ein öffentlicher Streit zwischen Wolf und Wagenknecht. Letztere befürchtete, dass eine Regierungsbeteiligung der neuen Partei schadet. Es war der Beginn eines Abwärtstrends, von dem sich das BSW nicht wieder erholte. In Thüringen gibt es seit einigen Monaten die erste Brombeerkoalition Deutschlands aus CDU, BSW und SPD.
Wagenknecht will Einfluss ausbauen
Der Machtkampf der beiden Frauen dauert derweil weiter an – und könnte am Ende womöglich zum Zerfall der Partei führen. Am Wochenende bahnt sich eine weitere Machtprobe an, diesmal in Gestalt eines Führungsstreits im BSW-Landesverband in Thüringen: Die bisherigen Landesparteichefs Katja Wolf und Steffen Schütz wollen bei einem Landesparteitag am kommenden Samstag in Gera erneut kandidieren. Beide müssen aber mit Konkurrenz rechnen, mit Gegenkandidaten, die von der Spitze der Bundespartei unterstützt werden. Parteigründerin Wagenknecht sagte jüngst dem Magazin Stern: „Ich war davon ausgegangen, dass es in Thüringen längst Konsens war, Partei- und Regierungsamt zu trennen, was ja auch sinnvoll ist.“
Auch weitere geplante Tagesordnungspunkte beim Parteitag haben es in sich. So soll etwa der Bundesvorstand aufgefordert werden, die Aufnahme von Mitgliedern durch den Landesvorstand des BSW Thüringen zu ermöglichen. Zur Erinnerung: In der Vergangenheit hat es immer wieder Vorwürfe gegeben, wonach Wagenknecht neue Mitglieder am Landesverband vorbei aufgenommen haben soll, um ihren Einfluss zu vergrößern.
De Maart
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können