IntransparenzSorgen um chinesische Diplomatie

Intransparenz / Sorgen um chinesische Diplomatie
Qin Gang (l.) wurde als Außenminister abgesetzt, General Li Shangfu (r.) ist seit September verschwunden, Staatsrat Wu Zhenglong scheint verschont geblieben zu sein Foto: Noel Celis/AFP

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Im Juni schüttelte der chinesische Verteidigungsminister Li Shangfu seinem US-Amtskollegen bei einer Sicherheitskonferenz in Singapur die Hand, im August reiste er nach Russland und Belarus, im September verschwand er plötzlich von der Bildfläche. Insidern zufolge ermitteln die chinesischen Behörden wegen Korruption gegen den 65-Jährigen.

Das Verschwinden des Generals, der die Modernisierung des chinesischen Militärs vorangetrieben hat, ist kein Einzelfall in der chinesischen Regierung. Vor einigen Monaten war Außenminister Qin Gang mehrere Wochen abgetaucht. Einem Bericht des Wall Street Journal zufolge werfen ihm chinesische Ermittler eine außereheliche Beziehung vor. Schließlich wurde er von seinem Vorgänger Wang Yi ersetzt.

Die plötzlichen und unvorhersehbaren Personalwechsel in der chinesischen Regierung schüren Experten zufolge das Misstrauen anderer Länder in die Führung der zweitgrößten Volkswirtschaft. „Das ist alles so plötzlich und undurchsichtig“, beklagt Analyst Alexander Neill von der Denkfabrik Pacific Forum in Hawaii. „Die fehlende Transparenz nährt die Vertrauenskrise, die sich um China zusammenbraut“, sagt auch der frühere Pentagon-Beamte Drew Thompson, der inzwischen als Wissenschaftler an der Nationalen Universität von Singapur arbeitet. Nun sei eine klare Analyse des chinesischen Regimes nötig. „Es geht nicht nur um die Frage, ob China ein Partner oder ein Konkurrent ist. China ist die Ursache wirtschaftlicher, politischer und militärischer Risiken.“

Angespannte diplomatische Beziehungen

Gerade das Verschwinden von hochrangigen chinesischen Politikern, die das Land weltweit repräsentierten, sei wegen der zunehmenden Spannungen um Taiwan und im Südchinesischen Meer kritisch, sagen Experten. Eigentlich sei ein vertiefter Austausch nötig, heißt es bei asiatischen Diplomaten. Seit seiner Ernennung zum Verteidigungsminister im März hatte Li die Interessen Chinas bei mehreren Auslandsreisen vertreten. Auf der Sicherheitskonferenz „Shangri-La-Dialog“ in Singapur kritisierte er die USA und beklagte eine Rückkehr zum Kalten Krieg. Im Oktober sollte er selbst der Gastgeber für ein internationales Sicherheitstreffen in Peking sein, im November die Volksbefreiungsarmee bei einem Treffen der Verteidigungsminister der Region in der indonesischen Hauptstadt Jakarta repräsentieren.

Dass sich Chinas Präsident Xi Jinping selbst offenbar zunehmend nach innen wendet, schafft weitere Unklarheit. Beim G20-Gipfel in Indien ließ er sich durch Ministerpräsident Li Qiang vertreten. Es war das erste Mal seit seinem Amtsantritt vor rund einem Jahrzehnt, dass Xi dem Treffen der Staats- und Regierungschefs der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer fernblieb.

Manche Beobachter vermuten hinter den überraschenden Veränderungen eine politische Säuberung innerhalb der Kommunistischen Partei, auch wenn Korruption im Militär und den staatlichen Institutionen Chinas als weit verbreitet gilt. Bereits Ende 2012 hatte Xi eine Kampagne gegen Bestechung gestartet. „Egal aus welchem ​​Grund – das Gefühl, dass dies weiterhin passieren könnte, wirkt sich auf das Vertrauen ausländischer Akteure in die Zusammenarbeit mit ihren chinesischen Kollegen aus“, sagt Helena Legarda, Analystin am Mercator Institute for China Studies in Berlin. (Reuters)