DeutschlandScholz pariert die Attacken mit stoischer Ruhe

Deutschland / Scholz pariert die Attacken mit stoischer Ruhe
Hat er gelogen? Deutschlands Finanzminister Olaf Scholz musste am Mittwoch zur nichtöffentlichen Befragung zum Finanzausschuss in den Bundestag. Foto: dpa/Michael Kappeler

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Olaf Scholz muss sich wegen Cum-Ex und Wirecard im Bundestag peinliche Fragen gefallen lassen. Der SPD-Kanzlerkandidat pariert die Attacken zwar mit stoischer Ruhe, erste Kratzer im Lack gibt es trotzdem.

Dass seine Kanzlerkandidatur „ein harter Ritt“ werden würde, hat Olaf Scholz selbst schon formuliert. Am Mittwoch muss der SPD-Mann die ersten Hindernisse überwinden: Gleich bei drei Gelegenheiten prüft ihn das Parlament wegen angeblicher Lügen und Versäumnisse. Sozusagen Oxer, Wassergraben und Mauer kurz hintereinander.

Es ist 11 Uhr, als der Finanzminister mit einer schwarzen Maske im Gesicht den Sitzungssaal des Finanzausschusses betritt. Der hat kurzfristig seine Tagesordnung ergänzt: „Gespräch mit Herrn Olaf Scholz zum Umgang mit Steuerforderungen/Cum-Ex-Geschäften.“ Noch bevor es losgeht, sagt draußen die Grünen-Politikerin Lisa Paus: „Er hat gelogen.“ Das ist insofern besonders bemerkenswert, als Paus mit ihrer Partei eine bevorzugte Koalitionspartnerin wäre, um Scholz 2021 zum Kanzler zu machen. Zusammen mit den Linken. Die wiederum haben für den Nachmittag eine Aktuelle Stunde im Bundestag zum gleichen Thema beantragt. Nach Rot-Rot-Grün sieht es an diesem Tag in Berlin nicht gerade aus.

Fakt ist, dass sich Scholz als Hamburger Bürgermeister 2016 mit den Eigentümern der Warburg-Bank getroffen hat, gegen die gerade ein Steuerverfahren wegen sogenannter Cum-Ex-Geschäfte lief. Dabei hatten sich Finanzinstitute systematisch Erstattungen für vermeintlich zu viel gezahlte Kapitalertragsteuern erschlichen. Ehe die Lücke geschlossen wurde, sollen dem Fiskus so bundesweit mindestens zehn Milliarden Euro aus der Tasche gezogen worden sein. Bei der Warburg-Bank ging es um 47 Millionen Euro, die das Hamburger Finanzamt zunächst von der Bank zurückverlangte.

„Schönen Dank für Ihre Frage“

Fakt ist, dass die Behörde darauf kurz nach dem Gespräch im Bürgermeisterbüro verzichtete und auch 2017 auf weitere 43 Millionen Euro an Rückzahlungen verzichten wollte, was aber dann am Einwand des Bundesfinanzministeriums unter seinem damaligen Chef Wolfgang Schäuble (CDU) scheiterte. Fakt ist, dass Scholz in der Sitzung des Finanzausschusses am 1. Juli nur einen Termin mit den Warburg-Vertretern eingeräumt hat. Nun gibt er zu, dass es zwei weitere Treffen gab. Medien hatten das zuvor enthüllt. Er habe das nicht erwähnt, weil er sich weder an die Termine noch an die Themen erinnert habe, sagt der Minister. Paus spricht hinterher von „voller Amnesie“, also Gedächtnisverlust, des Kanzlerkandidaten.

Doch der Hauptverdacht, dass nämlich der SPD-Politiker sein Hamburger Finanzamt angewiesen haben könnte, auf das Geld zu verzichten, wird an diesem Tag nicht bewiesen. Genau diesen Verdacht bestreitet Scholz vehement. Mitnichten habe er sich in das Steuerverfahren eingemischt. Die Behörde sei absolut unabhängig. „Eine politische Intervention hat es nicht gegeben.“ Und Cum-Ex-Geschäfte bekämpfe er mit allen Mitteln. Auch mit üppigen Wahlkampfspenden der Warburg-Bank kurz danach an die Hamburger SPD habe er nichts zu tun gehabt.

Vor der Tür diskutieren Journalisten, ob man ihm glauben kann. Die einen sagen Ja, denn Scholz sei ein Sozialdemokrat mit Werten, der werde Steuerhinterzieher nicht unterstützen. Schon gar nicht reiche Banker. Die anderen sagen Nein, Scholz sei bekanntlich sehr wirtschaftsfreundlich. Ähnliche Debatten könnten nun auch im Volk aufkommen, denn sie beschreiben das ambivalente Image des Kandidaten recht präzise. Die SPD stellt sich an diesem Mittwoch hinter ihren Hoffnungsträger. Das Ganze sei „ein gezielter Vorwurf, den Kanzlerkandidaten der SPD zu beschädigen“, sagt Fraktionsgeschäftsführer Carsten Schneider.

Dessen Lack hatte allerdings schon einen weiteren Kratzer abbekommen: die Wirecard-Affäre. Bei der geht es nicht um Begünstigung, sondern um Schlamperei. Warum fiel den Scholz unterstehenden Aufsichtsbehörden so lange nicht auf, dass der DAX-Konzern mit getürkten Bilanzen arbeitete? Das ist eines der zentralen Themen der Fragestunde mittags im Bundestag, dem dritten Forum, dem sich SPD-Mann an diesem Tag stellen muss. Das ist Zufall, denn die Minister sind abwechselnd in jeder Sitzungswoche an der Reihe. Am Freitag soll dazu ein Untersuchungsausschuss eingesetzt werden, den FDP, Grüne und Linke beantragt haben. Also wieder alle möglichen Koalitionspartner des Möchtegernkanzlers.

Der reagiert stoisch, wie man ihn kennt. Auch er sei dafür, dass der Staat „immer stärkere Instrumente“ gegen einen solchen Bilanzbetrug bekomme, betont er. Deshalb habe er schon einen Aktionsplan vorgelegt. Jeden der Kritiker im Bundestag guckt er freundlich an. „Schönen Dank für Ihre Frage“, sagt er als Erstes, bevor er leise seine Antworten gibt. Und dass er froh sei, „dass wir das Thema hier heute diskutieren“. In der Seefahrerstadt Hamburg nennt man so etwas wohl den Versuch, jemandem den Wind aus den Segeln zu nehmen.