Franziskus hinterlässt das Bild eines reformfreudigen Papstes: So hob er etwa das päpstliche Schweigegebot bei sexuellem Missbrauch auf, setzte institutionelle Veränderungen durch, schränkte die Verwendung der lateinischen Messe ein und öffnete die Tür für die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare.
Die grundlegende Lehre habe der Argentinier aber nicht angetastet, urteilen Fachleute. „Ob es um Abtreibung, Sterbehilfe, die Ehe für Priester, die Ordination von Frauen oder Homosexualität geht, also traditionelle konservative Glaubensgrundsätze, da hat Franziskus nichts geändert“, sagt François Mabille, Leiter der geopolitischen Beobachtungsstelle für Religion.
Der verstorbene Papst predigte Demut, ließ keine Gelegenheit aus, sich für jene einzusetzen, die keine Stimme haben, und die Mächtigen zu kritisieren. Er versprach, die Kirche für alle zu öffnen, was in seiner Bemerkung über homosexuelle Gläubige zum Ausdruck kommt: „Wer bin ich, dass ich urteilen könnte?“
Solche Aussagen „haben die öffentliche Meinung geprägt“, sagt Mabille. Franziskus habe „eine Haltung der Offenheit gegenüber Menschen in Not“ vertreten. Es sei keinesfalls sicher, dass sein Nachfolger „das Thema Migranten, das er (Franziskus) zwölf Jahre lang mit Nachdruck verfolgt hat, in gleicher Weise und mit derselben Häufigkeit aufgreifen wird“, sagt der Wissenschaftler.
Eine Reihe wichtiger Herausforderungen
Auch beim Umgang mit Kriegen werde das künftige Kirchenoberhaupt „zweifellos eine zurückhaltendere Rolle spielen“. Kaum ein anderer Papst des 20. Jahrhunderts habe sich so in internationalen Konflikten engagiert wie Franziskus, sagt Mabille. Doch greifbare Ergebnisse brachten die teils umstrittenen Forderungen des Papstes im Gazastreifen und der Ukraine nicht.
Der neue Papst wird sich einer Reihe wichtiger Herausforderungen stellen müssen, mit denen die katholische Kirche konfrontiert ist – von der Rolle der Frau bis hin zu den anhaltenden Enthüllungen über sexuellen Missbrauch durch Geistliche. In Europa hat die katholische Kirche außerdem mit Priestermangel und schrumpfenden Gemeinden zu kämpfen. In Afrika und Asien hingegen wächst die Zahl der Katholiken. Weltweit hat die katholische Kirche 1,4 Milliarden Mitglieder.
Der Generalsekretär des Forschungsinstituts für Religionsstudien, Martin Dumont, verweist darauf, dass das Kirchenoberhaupt „eine verbindende Instanz für alle Katholiken sein muss“. Von „Bruch oder Kontinuität“ beim Kurs des neuen Papstes zu sprechen, sei zu simpel. Die Persönlichkeit des künftigen Pontifex werde auch eine Rolle spielen, sagt Dumont. „Jeder Papst hat seine Besonderheiten, seine Absichten. Der nächste könnte vielleicht mehr über die Lehre kommunizieren.“ Die Kirche brauche einen Papst, „der weniger und kontrollierter redet“, nachdem Franziskus „ständig über alle Themen gesprochen hat“, sagt Dumont. Der Forscher rechnet aber nicht mit großen Änderungen in der Art und Weise, wie die Kirche den katholischen Glauben verbreitet.
In der Vergangenheit spalteten sich die Kardinäle bei der Wahlversammlung oft in verschiedene Lager. Damit rechnet Dumont bei diesem Konklave nicht. Fast 80 Prozent der Kardinäle, die jetzt über seine Nachfolge entscheiden, wurden von Franziskus selbst ernannt. Doch die Erfahrung lehrt, dass dies nicht zwingend bedeutet, dass sie einen Papst nach seinem Vorbild wählen.
De Maart
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