Mittwoch29. Oktober 2025

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GroßbritannienLabour-Regierung kommt nicht in Tritt

Großbritannien / Labour-Regierung kommt nicht in Tritt
Großbritanniens Premierminister Keir Starmer zu Besuch bei der Europäischen Kommission in Brüssel Foto: AFP

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Die Regierung des britischen Premierministers Keir Starmer ist noch keine 100 Tage an der Macht, die List der PR-Desaster aber ist schon lange. Nun tritt Büroleiterin Sue Gray zurück.

Schwere handwerkliche Fehler, dauernde Leaks an die Medien, Zweifel an der Integrität des Regierungschefs  – nach nicht einmal 100 Tagen im Amt muss Keir Starmer bereits sein Küchenkabinett umbesetzen. Am Sonntag reichte die umstrittene Büroleiterin des Labour-Premierministers ihren Rücktritt ein. Zudem soll ein neuer Abteilungsleiter für „strategische Kommunikation“ die Öffentlichkeitsarbeit der Regierung verbessern.

Etwas lahm bedankte sich Starmer bei Sue Gray „für alle Unterstützung, die sie mir in Opposition und Regierung hat zuteilwerden lassen“. Die Berufung der ungemein erfahrenen Spitzenbeamtin auf den hochpolitischen Stuhl als Büroleiterin des damaligen Oppositionsführers galt im vergangenen Jahr als wichtiger Coup des Labour-Vorsitzenden. Bei den Konservativen ist Gray seither verhasst, zumal die damalige beamtete Staatssekretärin im Kabinettsbüro eine Untersuchung in die Lockdown-Partys der Downing Street während der Amtszeit von Premier Boris Johnson geleitet hatte. In seinen diese Woche veröffentlichten Memoiren lässt Johnson denn auch kein gutes Haar an der 67-Jährigen.

Deutlich überraschender bleibt aber, warum ausgerechnet die hochangesehene Veteranin Gray nicht in der Lage war, die machthungrige Partei auf den Regierungsantritt vorzubereiten und nach dem triumphalen Wahlsieg Anfang Juli den Apparat der Downing Street in den Griff zu bekommen. Die Beschwerden häuften sich vom ersten Tag der neuen Regierung an. Starmer überließ die persönliche Beauftragung der Regierungsmitglieder unterhalb von Kabinettsministern seiner Büroleiterin, die dafür bis zu einer Woche brauchte.

Neid und Missgunst im Regierungsapparat

Zudem sind wichtige Beamten-Posten bis heute unbesetzt: Der Premierminister hat keinen beamteten Privatsekretär, der fürs Funktionieren der Regierungszentrale zuständig ist; ihm fehlt ein Nationaler Sicherheitsberater, nachdem er den Kandidaten seines Vorgängers Rishi Sunak ablehnte; zudem ist der Posten des Kabinettssekretärs, des höchsten Beamten des Landes, praktisch verwaist, weil der Amtsinhaber seit Monaten krank ist. Statt rasche und klare Personalentscheidungen zu treffen, werde wochenlang über Strukturen debattiert, beklagen Insider.

Viele der politischen Berater, die das Scharnier zwischen den Politikern und dem parteipolitisch neutralen Beamtenapparat bilden sollen, haben bis heute keine Arbeitsverträge. Das liegt nicht zuletzt am lieben Geld: Unter den teilweise seit Jahren für die Labour-Party tätigen Männern und Frauen gibt es erheblichen Unmut darüber, dass sie, nunmehr in Diensten der britischen Regierung stehend, eine deutliche Gehaltseinbuße hinnehmen sollen.

Rückblickend muss Starmer spätestens vor gut zwei Wochen klar geworden sein, dass Gray auf Dauer nicht zu halten sein würde. Da meldete die BBC, die Büroleiterin habe für sich ein um einige Tausend Pfund höheres Jahresgehalt ausgehandelt als es dem Premier zusteht. Solche Peinlichkeiten zu vermeiden gehört zu den wichtigsten Aufgaben einer Büroleiterin; dass ihre Gehaltseinstufung den Weg in die Öffentlichkeit fand, machte das Ausmaß an Neid und Missgunst im Regierungsapparat gegenüber der mächtigen Chefberaterin deutlich.

Grays Nachfolger Morgan McSweeney gehört seit dessen Amtsantritt als Parteichef im April 2020 zu Starmers engsten Mitarbeitern. Als oberster Wahlkampfstratege trug er erheblich zu Labours Erdrutschsieg bei. Politisch steht er auf dem rechten Parteiflügel; Parteilinke kreiden ihm an, er habe mehrere ihm missliebige Kandidatinnen an der Kandidatur gehindert oder zu wenig unterstützt.

Stark geschadet hat dem Premierminister die seit Wochen schwelende Kontroverse um seinen laxen Umgang mit geldwerten Leistungen wie teuren Designer-Anzügen und -Brillen oder Einladungen zu Konzerten der Pop-Diva Taylor Swift und Fußballspielen seines Lieblingsclubs FC Arsenal. Vergangene Woche sagte der 62-Jährige „Schnorrerkönig“ (Zeitungsspott) die Rückzahlung eines vergleichsweise geringen Betrages zu, ohne zu begründen, warum er sich darauf beschränken will. Schon war das Thema wieder in den Schlagzeilen.

Derlei PR-Desaster soll zukünftig der glänzend vernetzte Schwiegersohn einer langjährigen Labour-Abgeordneten verhindern. Zuletzt war James Lyons für die Öffentlichkeitsarbeit des schlingernden Gesundheitssystems NHS und des Kurzfilmdienstes TikTok zuständig, hat also den Umgang mit Negativ-Schlagzeilen umfassend gelernt.