Das Thermometer zeigt sechs Grad. Es ist am frühen Morgen ziemlich frisch vor der bayerischen Landesvertretung in Berlin. „Ein paar kalte Hände hier“, witzelt CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, als er nach seiner Ankunft die wenigen Journalisten vor der Tür mit Handschlag begrüßt. Drinnen sitzen zu diesem Zeitpunkt die meisten Verhandler von Union und SPD schon im Warmen. Ob die Gespräche im Laufe des Tages auch kuschelig werden, bleibt wie vieles andere zunächst offen. Erst tagt man getrennt voneinander zur Vorbesprechung, später dann in der großen 19er Runde.
Dobrindt ist einer der Wenigen, die ein paar Worte sagen zu den in der Kälte Wartenden. Die Verhandlungen am Tag zuvor, als in Untergruppen diskutiert wurde, seien bis in die späte Nacht gegangen, berichtet der CSU-Mann – man sieht es ihm an. Vor allem um das Thema Finanzen wurde gerungen. „Es geht heute in der großen Runde darum, welches Einsparpotenzial realistischerweise man auch realisieren kann“, formuliert Dobrindt kryptisch.
Es heißt, Steuererhöhungen und -senkungen sowie Migration seien weiterhin die großen Knackpunkte bei den Gesprächen. Und dazu gesellt sich eben auch das Ziel milliardenschwerer Einsparungen. Denn der Druck, nicht nur das Geld über neue Schulden mit vollen Händen auszugeben, sondern auch den Haushalt in den Griff zu bekommen, ist groß. Gerade seitens der Union. „Es gibt Vorschläge, die müssen jetzt diskutiert werden“, erklärt Dobrindt. Welche, bleibt offen. „Das ist ja ein Prozess, der da stattfindet“, ergänzt er. Es gehe deshalb nicht darum, „Zeitdruck“ aufzubauen, so Dobrindt weiter. „Sondern das muss sauber abgearbeitet werden. Wir wollen da auch keinen Dissens entstehen lassen.“ Am Schluss, sagt der Bayer, brauche es ein solides Finanztableau, „das gehört schlicht und einfach dazu“. Schwierig genug ist es offenkundig für beide Lager, ein solches Tableau aufzustellen.
SPD-Chefin Saskia Esken verliert auch ein paar Worte bei ihrer Ankunft. „Ich bin überzeugt, dass wir in die nächste Woche gehen werden. Da ist noch viel zu tun.“ Sie sei aber hoffnungsvoll, dass eine Einigung gelinge. „Wir kommen uns in allem deutlich näher“, so Esken. Unionsparlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU) raunt schließlich noch den Journalisten zu: „Wir sind gut unterwegs.“ Doch wann platzt denn nun der Knoten?
Insider erläutern, derzeit werde der 11. April anvisiert für den unterschriftsreifen Koalitionsvertrag. Besonders wichtige Mitarbeiter sollen aber schon gebeten worden sein, sich vorsorglich in den Osterferien nichts vorzunehmen. Sicher ist sicher. Nach Vorlage des Vertrages folgt dann die Mitgliederbefragung der SPD und wohl Ende April ein kleiner Parteitag der CDU.
Kanzlerwahl am 7. Mai?
Der 7. Mai könnte schließlich eine Option für die Kanzlerwahl sein. Andere betonen hinter den Kulissen freilich, in Berlin sei tags drauf ein Feiertag wegen des Kriegsendes vor 80 Jahren, sodass die Wahl des neuen Kanzlers womöglich auch erst eine Woche später erfolgen könnte. Entschieden ist nichts, Fakt ist aber: An diesem Donnerstag und Freitag wird weiterverhandelt, dann wieder im Willy-Brandt-Haus der SPD.
„In den nächsten Tagen wird es Ergebnisse geben“, heißt es aus Verhandlerkreisen. Dafür sorgen muss auch Friedrich Merz, der sich frühzeitig an diesem Morgen mit CSU-Chef Markus Söder berät. Die Gespräche in der bayerischen Landesvertretung sind für den Unionskanzlerkandidaten zugleich eine Rückkehr an einen für ihn besonderen Ort. Letztes Jahr im September kürte ihn Söder hier zum Kanzlerkandidaten der Union: „Friedrich Merz macht’s.“
Seitdem ist politisch einiges passiert – die Bundestagswahl hat die Union gewonnen, aber nicht so wie erhofft. Und in der Union ist nach der rasanten Merz-Kehrtwende in der Schuldenpolitik und angesichts der Wasserstände aus den Koalitionsverhandlungen der Frust über den Kandidaten unüberhörbar. Schon wird intern gefragt, wieviele Kröten Merz noch schlucken wolle. Könnten die Gespräche daher noch scheitern? Daran glaube man nicht, ist im Merz-Umfeld zu hören.
De Maart
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