UkraineKiew wirft Moskau ein immer brutaleres Vorgehen vor

Ukraine / Kiew wirft Moskau ein immer brutaleres Vorgehen vor
In Kiew bergen Anwohner die Überreste ihrer durch russischen Beschuss zerstörten Wohnungen Foto: AFP/Sergej Supinsky

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Aus der Ukraine kommen weiter Berichte über Angriffe und Tote. Präsident Selenskyj greift zu drastischen Worten und verbietet prorussischen Parteien die Arbeit. Der Westen ist besorgt über den Einsatz russischer Hyperschall-Raketen.

Dreieinhalb Wochen nach Beginn der russischen Invasion in die Ukraine ist der Frontverlauf nach ukrainischen Angaben „praktisch eingefroren“. Die Regierung in Kiew warf der russischen Armee zugleich ein immer brutaleres Vorgehen vor. Vor allem die Lage in der Hafenstadt Mariupol bleibt katastrophal, nach örtlichen Angaben wurde dort eine Kunstschule mit 400 Schutzsuchenden Ziel eines Bombenangriffs. 

Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden durch den Krieg bereits zehn Millionen Menschen und damit knapp ein Viertel der ukrainischen Bevölkerung aus ihren Häusern vertrieben, 3,4 Millionen von ihnen hätten das Land verlassen.

Olexij Arestowitsch, Berater des Büroleiters von Präsident Wolodymyr Selenskyj, sagte am Sonntag bei einem Briefing, sowohl die russische als auch die ukrainische Seite hätten nicht genug Kraft, um die Situation in die eine oder andere Richtung zu drehen. Es würden taktische Aktionen und Angriffe durchgeführt. Der ukrainische Generalstab befürchtet das aktive Eingreifen des Nachbarlandes Belarus in den Krieg. Es seien Anzeichen der Vorbereitung belarussischer Streitkräfte auf eine direkte Invasion der Ukraine registriert worden, heißt es in einer Mitteilung auf Facebook.

Viele Tote bei Angriffen

Zu Opfern beim Angriff am Samstag auf die Kunstschule in Mariupol gab es zunächst keine Angaben. Der Stadtrat machte russische Truppen verantwortlich. Das Gebäude sei zerstört worden, Menschen lägen noch unter Trümmern. Frauen, Kinder und Ältere hätten dort Schutz gesucht. Nach einem Raketenangriff auf eine Kaserne in Mykolajiw im Süden der Ukraine sollen Helfer am Samstag mindestens 50 Tote geborgen haben.

Bei russischem Beschuss in Charkiw im Osten gab es laut ukrainischem Militär mindestens zwei Todesopfer, darunter ein Kind. Auch um die nordukrainische Stadt Tschernihiw gibt es demnach schwere Gefechte, ebenso um den Ort Butscha nordwestlich von Kiew, sowie Hostomel und Worsel. Seit mehr als einer Woche dauert dem Militär zufolge auch der Beschuss auf Vororte der Stadt Sumy im Nordosten der Ukraine an.

Um Kiew, Charkiw und Mariupol wurden erneut humanitäre Korridore für flüchtende Zivilisten und Hilfsgüter eingerichtet. Das teilte die ukrainische Vize-Regierungschefin Irina Wereschtschuk mit. Am Samstag berichteten Kiew und Moskau über die Evakuierung Tausender Zivilisten aus besonders umkämpften Gebieten, darunter Mariupol und den Regionen Kiew und Luhansk. Der Stadtrat von Mariupol warf Moskau vor, Zivilisten gegen ihren Willen nach Russland gebracht zu haben.

Der Bürgermeister der westukrainischen Stadt Lwiw, Andrij Sadowyj, beschwerte sich über mangelnde Notfallpläne von internationalen Hilfsorganisationen. Das sagte Sadowyj der Süddeutschen Zeitung. Hunderttausende Flüchtlinge seien in der Region Lwiw untergekommen, die Kapazitäten seien erschöpft. Das Rot-Kreuz-Komitee und das UN-Flüchtlingshilfswerk teilten mit, man tue alles Mögliche und arbeite mit lokalen Behörden zusammen, um Aufnahmeplätze zu schaffen.

Fortschritte bei Gesprächen

Selenskyj bekräftigte am Sonntag, dass er „zu Verhandlungen“ mit Putin bereit sei. Sie seien der einzige Weg, „diesen Krieg zu beenden“, sagte er dem US-Sender CNN. Er verteidigte die bislang ergebnislosen Gesprächsrunden als „sehr wertvoll“. Würden „diese Versuche scheitern, würde das den dritten Weltkrieg bedeuten“, warnte er.
Nach Angaben der Türkei, die eine Vermittlerrolle eingenommen hat, kommen die Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine über ein Ende des Krieges aber voran. „Wir sehen, dass die Parteien kurz vor einer Einigung stehen“, sagte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu.
Von Israel – einem weiteren Vermittler in dem Konflikt – forderte Selenskyj Rückendeckung. Jetzt sei es an der Zeit, „dass Israel seine Wahl trifft“, sagte er in einer per Videoschalte übertragenen Rede vor der Knesset.
Die Regierung in China betonte derweil, dass sie Russland keine militärische Unterstützung leiste. Peking steht unter starkem Druck seitens der Vereinigten Staaten und ihrer europäischen Verbündeten, sich von Moskau zu distanzieren.

Das russische Militär berichtete am Wochenende von seinen ersten Einsätzen der Hyperschall-Rakete „Kinschal“ (Dolch). Am Sonntag meldete Moskau, dass ein Treibstofflager im Gebiet Mykolajiw im Süden der Ukraine getroffen worden sei. Am Freitag habe eine „Kinschal2-Rakete ein Munitionsdepot der ukrainischen Luftwaffe in Deljatyn im Südwesten der Ukraine vernichtet – der erste Einsatz im Kampf überhaupt, hieß es am Samstag. Die Raketen können nach russischen Angaben Ziele in bis zu 2.000 Kilometer Entfernung treffen und übertreffen die Schallgeschwindigkeit um ein Mehrfaches.

Die russische Armee soll nach Angaben aus Kiew weitere hochrangige Militärs verloren haben. Von russischer Seite lagen dazu keine Informationen vor.

Freiwillige Helfer ruhen sich in Lwiw auf den Säcken einer Kleidersammlung aus
Freiwillige Helfer ruhen sich in Lwiw auf den Säcken einer Kleidersammlung aus Foto: AFP/ Yuriy Dyachyshyn

Moskau warf der Ukraine vor, Angriffe auf Einrichtungen westlicher Diplomaten in Lwiw vorzubereiten und dann Russland zu beschuldigen. Zudem hieß es, Kiew plane Angriffe auf Zivilisten mit Chemikalien. Belege für diese Aussagen gab es nicht. Die Ukraine wirft Russland vor, Unwahrheiten über angeblich geplante Provokationen zu verbreiten, um dann selbst unter falscher Flagge angreifen zu können.

Verbote in der Ukraine

Der ukrainische Präsident Selenskyj wandte sich derweil mit drastischen Worten an die Bevölkerung in Russland. Es häuften sich die Leichen russischer Soldaten, sagte er in einer Videobotschaft. Schon jetzt seien mehr als 14.000 russische Soldaten getötet worden. Auch diese Angaben lassen sich nicht überprüfen.

Einer Reihe von prorussischen Parteien in der Ukraine wurde für die Dauer des Kriegs im Land die Arbeit verboten. Zu den betroffenen Parteien gehören unter anderem die „Oppositionsplattform für das Leben“ und der „Oppositionsblock“. Die Opposition bezeichnete das als illegal und rief ihre Abgeordneten auf, ihre Arbeit fortzusetzen.

In einem weiteren Dekret ordnete Selenskyj an, dass alle TV-Sender mit Nachrichtenanteil vorerst nur noch ein Einheitsprogramm zeigen dürfen. Der Großteil der landesweiten Sender hatte sich bereits kurz nach Kriegsbeginn zusammengeschlossen. Der ukrainische Geheimdienst SBU setzte Festnahmen von Politologen und Journalisten mit abweichenden Meinungen fort. Am Sonntag wurde die Festnahme des Odessaer Journalisten Jurij Tkatschow bekannt. Offiziell gab es bisher keine Begründung für das Vorgehen der Behörden. (dpa)

D.W.
22. März 2022 - 11.32

Man vernimmt immer nur die Wahrnehmung und die damit verbundenen Kommentare und Berichterstattung der Ukraine....wo kann ich mir ein Sichtweise der Gegenseite einholen? Diese Kanäle sind allerdings seit einiger Zeit gesperrt, seit gestern allerdings erst Facebook und Instagram in Russland. Da waren wir ja mal schneller, so hätte das auch in den strengen Lockdown Zeiten der Pandemie in Europa sein sollen!

rczmavicrom
21. März 2022 - 13.26

Es wird noch schlimmer wenn der Selinskyj stur weiter kämpfen will.Er kann nicht gewinnen, genau wie Putin nicht verlieren kann.Maze.