Italiens Demokraten rücken nach links: Klare Ansage an die populistische Regierung in Rom

Italiens Demokraten rücken nach links: Klare Ansage an die populistische Regierung in Rom

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Nicola Zingaretti heißt der neue Vorsitzende der Demokratischen Partei. Der Gouverneur von Latium gewann mit mehr als 65 Prozent der Stimmen die parteiinternen Primärwahlen. Über 1,7 Millionen Mitglieder hatten in der Basiswahl abgestimmt. Zingaretti steht für den linken Flügel des PD, eine klare Ansage an die populistische Regierung in Rom.

Von unserem Korrespondenten Wolf H. Wagner, Florenz

Das vergangene Wochenende stand im Zeichen der Opposition gegen die populistische Regierung in Rom. Erst die machtvolle Antirassismus-Demonstration in Mailand, am Sonntag die Primärwahlen der Demokratischen Partei. Sie setzte eindeutige Zeichen, dass nicht alle Italiener mit dem Kurs Salvini-Di Maio einverstanden sind. Und ferner, dass viele Parteimitglieder der Demokraten die endlosen und zermürbenden Grabenkämpfe müde sind.

Entsprechend hoch war die Beteiligung: 1,8 Millionen PD-Angehörige fanden den Weg zu den Wahlurnen. Kandidiert hatten Anhänger und Gegner des früheren Parteichefs Matteo Renzi. Gesiegt hatte schließlich Nicola Zingaretti. Mit über 65 Prozent der Wählerstimmen wurde der Gouverneur von Latium zum neuen Sekretär des Partito Democratico gewählt.

Kandidat aus dem linken Flügel

Der 1965 in Rom geborene Zingaretti kommt aus dem linken Flügel des PD. Seine politische Karriere begann er im kommunistischen Jugendverband Italiens, dessen Sekretär er war. Von 1995 bis 1997 bekleidete er die Funktion des Präsidenten der Internationalen Union der Sozialistischen Jugend (IUSY). Für die Sozialisten war er auch im Europaparlament vertreten.

Zingaretti ist Befürworter einer integrativen Migrationspolitik und setzte sich in seinem politischem Leben stets für eine multiethnische und multikulturelle Gesellschaft ein. Mit dieser politischen Einstellung ist er entschiedener Gegner der offiziellen römischen Politik, die derzeit auf Abschottung und Nationalismus orientiert. Eine Zukunft Italiens sieht der neue PD-Chef nur in einem Europa der Gemeinsamkeiten. Im Europaparlament engagierte er sich für den sozialen Ausbau der Union, insbesondere war er in den interparlamentarischen Ausschüssen für Behindertenpolitik, Menschenrechte sowie Rechte Homosexueller tätig. 2008 wurde er zum Präsidenten der Provinz Rom gewählt. 2012 setzte er sich bei vorgezogenen Wahlen zur Region Latium gegen den Rechtskandidaten Francesco Storace durch.

Einheit der linken Sozialisten

Bereits im Vorfeld der jetzt abgehaltenen Primärwahlen hatte sich Zingaretti für ein dringendes Beenden der parteiinternen Querelen eingesetzt. Deutlich sah der Linkspolitiker, dass die Streitigkeiten innerhalb des PD zu den drastischen Wahleinbußen sowohl bei den Parlamentswahlen als auch in den regionalen Urnengängen führten. Beim Wahlvolk war die Partei, die sich nur noch mit dem Postengerangel der obersten Etage auseinandersetzte, nicht mehr glaubwürdig, die sozialen Belange des Volkes zu vertreten. Insbesondere die Machtkämpfe Matteo Renzis, der noch 2014 als Hoffnungsträger der Partei angetreten war, trieb die Wählerschaft in Richtung der Protestpartei „Fünf Sterne“, aber auch in Richtung der Lega von Matteo Salvini.

Am Wahlabend verkündete Nicola Zingaretti in einer zwanzigminütigen Ansprache, er werde sich für die Einheit der linken Sozialisten einsetzen und einen Wandel in der Partei anstreben. Unter seiner Führung solle eine Veränderung in Italien geschaffen werden und die sozialen Probleme der Gesellschaft sollen zum wichtigsten Thema werden. Mit dem Programm einer sozialen Erneuerung werde er auch Lega-Chef Salvini herausfordern. Die Mitbewerber um den Sekretärsposten, Maurizio Mattina (Interimssekretär) und Roberto Giacchetti, beeilten sich, dem neuen Parteichef zu gratulieren und ihre Mitarbeit anzubieten. Auch Ex-Sekretär Renzi bekundete, dass nun Schluss sein solle mit dem „freundlichen Feuer“, den inneren Grabenkämpfen. Bereits zu den bevorstehenden Europawahlen wolle man mit neuer Geschlossenheit antreten, heißt es aus den Reihen der PD-Spitze.

PD erntet Beifall und Ablehnung

Spott und Kritik erntete der PD vom Vizepremier und Lega-Chef. Die Wahl Zingarettis, so Salvini, ändere nichts daran, dass sich die Demokratische Partei auf einem „historischen Tiefststand“ bewege. Er fürchte künftige Wahlausgänge nicht, erklärte Salvini und zeigte sich überzeugt, dass seine auf ganz Italien ausgeweitete Lega ihren Höhenflug fortsetzen werde.

Nicola Zingaretti wird nicht viel Zeit eingeräumt, die Partei zu festigen und als Alternative zu Lega und M5S zu präsentieren. Bereits am Tag nach seiner Wahl eilte der frisch gebackene Sekretär zu einem der politischen Brennpunkte des Landes, zum Hochgeschwindigkeitsprojekt Turin-Lyon, einem der Hauptstreitpunkte der aktuellen Koalitionsregierung. Er wolle sich einen Überblick zur Problematik machen und dann kundgeben, welche Position der PD zu dem Projekt einzunehmen gedenkt. An der Trasse war es in der Vergangenheit immer wieder zu teils gewalttätigen Protesten gekommen, gerade die Basis von M5S lehnt die Hochgeschwindigkeitslinie als zu teuer und umweltschädlich ab und gerät damit in Konflikt mit den Befürwortern der Lega.