Entwaffnung durch Nachahmung: Sozialdemokraten auf rechtspopulistischer Überholspur

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Bei den dänischen Parlamentswahlen am Mittwoch dürften die in ihrer Ausländerpolitik nach Rechtsaußen gerückten Sozialdemokraten die von den Rechtspopulisten gestützte bürgerliche Regierung ablösen. Die Genossen schließen die Zusammenarbeit mit Rechtsaußen dabei nicht aus.

Von unserem Korrespondenten André Anwar, Stockholm/Kopenhagen

Eine sozialdemokratische Parteivorsitzende, die eine rechtspopulistische Ausländerpolitik führt und offen mit dem Rechtspopulistenchef über eine Zusammenarbeit spricht: Es ist wahrlich eine für die europäische Parteienlandschaft noch ungewöhnliche politische Realität, die derzeit in Dänemark immer deutlichere Konturen annimmt.

Am Mittwoch wählt das 5,7 Millionen Einwohner zählende skandinavische EU- und NATO Land mit guten Wirtschaftsdaten und einer Quasi-Vollbeschäftigungsrate ein neues Parlament. Traditionell spielt die Ausländerpolitik eine entscheidende Rolle. Um einst sozialdemokratische Wähler von der erfolgsverwöhnten rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei (DF) zurückzugewinnen, hat die seit 2015 amtierende Parteichefin der Sozialdemokraten Mette Frederiksen (41) die Ausländerpolitik ihrer Partei nach rechtsaußen umgekrempelt.

Flüchtlingen Schmuck stehlen

So stimmte ihre Partei etwa für das Gesetz, das es der dänischen Polizei erlaubt, ankommenden Kriegsflüchtlingen teuren Schmuck wegzunehmen. Sie will „nicht-westliche“ und „westliche“ Ausländer unterschiedlich behandeln, Asyllager in Afrika gründen und hält den Islam für eine „Integrationsbarriere“. „Für mich wird es immer klarer, dass die ungeregelte Globalisierung, Masseneinwanderung und die Bewegungsfreiheit für Arbeitskräfte von den unteren sozialen Klassen bezahlt wird“, schreibt sie in ihrer kürzlich veröffentlichten Biografie. Gleichzeitig hat Frederiksen die nahezu rechtsliberale Sozial- und Wirtschaftspolitik ihrer Partei ein Stück zurück nach links gerückt. Sie verspricht den Wiederausbau des nach zahlreichen bürgerlichen Regierungen zusammengeschnürten Wohlfahrtsstaates.

Anscheinend hat ihr umstrittener Kurs Erfolg. Laut Umfragen dürfte die Sozialdemokraten mit rund 30 Prozent (+4%) als Wahlsieger hervorgehen und zusammen mit den anderen Parteien des linken Blocks auf 54 Prozent gegenüber 46 für den bürgerlich-rechtspopulistischen Block vom derzeitigen Ministerpräsidenten Lars Lökke Rasmussen von der bürgerlichen Venstre Partei kommen. Rasmussen verliert in Umfragen knapp 3 Prozent und landet auf 17 Prozent. Genossin Frederiksen kündigte an, dass sie nicht mit den anderen Linksparteien zusammen regieren werde. Sie wolle stattdessen eine Minderheitsregierung bilden, die erstmals blockübergreifend, auch mit den Rechtspopulisten, etwa in der Ausländerpolitik, zusammenarbeiten könne, sollten diese mitmachen. Privat soll sich Frederiksen gut mit DF-Chef Kristian Thulesen Dahl verstehen. Thulesen Dahl lobte Frederiksen gar öffentlich für den Rechtsruck in Ausländerfragen.

Minderheitsregierung angestrebt

Es bleibt jedoch fraglich, inwieweit die anderen Parteien des linken Blocks, auf deren Stimmen die Sozialdemokratin angewiesen sein wird, ihre angestrebte Minderheitsregierung stützen werden. Sie wollen die scharfe Ausländerpolitik von Frederiksen bislang nicht mittragen. Auch die Zusammenarbeit mit der teils offen fremdenfeindlich rassistischen DF bei Ausländerfragen ist den anderen Linksparteien zuwider.

Die DF dient dem bürgerlichen Block nun schon seit zwei Jahrzehnten als verlässlicher Mehrheitsbeschaffer. Mit ihrer harten Ausländerpolitik und einer Sozialpolitik, die links von den Sozialdemokraten angesiedelt war, konnte die Partei im Laufe der Jahre immer mehr Stimmen von den Sozialdemokraten abzweigen und dem Rechtsblock bequeme Mehrheiten sichern. Das will Frederiksen nun anscheinend mit ihrer Parteireform ändern, indem sie versucht, die DF in der Ausländer- und teils in der Sozialpolitik nachzuahmen. Zudem will sie die DF als ewige Stütze des bürgerlichen Blocks abwerben.

Noch bei den EU-Wahlen 2014 wurde die DF gar stärkste Kraft Dänemarks, vor den Sozialdemokraten. Bei den nationalen Parlamentswahlen 2015 wurde sie erstmals stärker als die traditionell größte bürgerliche Partei des derzeitigen Ministerpräsidenten Rasmussen. Doch die DF steht vor einem großen Wahldebakel. Schon bei der EU-Wahl fiel sie von zuletzt gut 26 auf nun 10 Prozent. Auch bei der dänischen Parlamentswahl dürfte sich ihr Stimmenanteil von rund 20 auf 10 Prozent halbieren. Zum einen setzten neue Rechtsaußenparteien die DF unter Druck, weil sie noch radikaler sind. So könnte eine neue islamfeindliche Partei über die niedrige Zwei-Prozent-Hürde ins Parlament kommen. Zum anderen macht der DF die Konkurrenz von den in der Ausländerpolitik nun genauso scharfen Sozialdemokraten und bürgerlichen Parteien zu schaffen.

Ob es nach der Wahl tatsächlich zu einer ersten Zusammenarbeit der Sozialdemokraten mit der DF kommt oder das nur Rhetorik ist, um deren Wähler abzuwerben, bleibt unklar, so die Wahlbeobachter. Sollten die anderen Parteien des Linksblocks hart bleiben, dürfte Frederiksen letztlich nicht ganz so viel von ihrer harten Ausländerpolitik durchsetzen können, wie sie nun verspricht.