Mittwoch29. Oktober 2025

Demaart De Maart

GroßbritannienDas britische Empire schrumpft: London gibt Chagos-Inseln an Mauritius ab

Großbritannien / Das britische Empire schrumpft: London gibt Chagos-Inseln an Mauritius ab
US-Langstreckenbomber auf der US-Luftwaffenbasis auf der Insel Diego Garcia im Indischen Ozean Foto: DoD/AFP

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Ein fairer Deal oder die gefährliche Preisgabe vitaler strategischer Interessen? Seit Großbritannien und die kleine Inselrepublik Mauritius am Donnerstag ihre Übereinkunft über die Zukunft des Chagos-Archipels im Indischen Ozean bekannt machten, herrscht in London heftiger politischer Streit.

Die offizielle Übergabe des bisherigen britischen Überseeterritoriums garantiere gleichzeitig den unumstrittenen rechtlichen Status der strategisch bedeutenden US-Militärbasis Diego Garcia bis weit ins nächste Jahrhundert, beteuert Außenminister David Lammy. „Außerdem verhindert es etwaige illegale Einwanderung ins Vereinigte Königreich.“ Kritiker wie der konservative Außenpolitik-Experte Tom Tugendhat sprechen von einem „schändlichen Rückzug, der unsere Sicherheit untergräbt“.

Der offiziell als anglo-amerikanische Partnerschaft betriebene Stützpunkt Diego Garcia geht auf eine Vereinbarung der beiden Verbündeten in den 1960er-Jahren zurück. Dabei trennte Großbritannien die Chagos-Inseln als „Britisches Territorium im Indischen Ozean“ (BIOT) von Mauritius, ehe die Kolonie 1968 ihre Unabhängigkeit erlangte. Die etwa auf der Hälfte zwischen dem afrikanischen Kontinent und Indonesien gelegene Inselgruppe diente der US-Navy und -Luftwaffe seither als wichtige Basis für diverse Konflikte. Zuletzt starteten von dort aus im Afghanistan- und Irak-Krieg strategische Bombenflugzeuge.

Das 2.150 Kilometer südwestlich gelegene Mauritius erhob in den vergangenen Jahren mit zunehmendem Erfolg Anspruch auf das Archipel. Mehrere Entschließungen der UN-Vollversammlung, 2019 auch ein nicht bindendes Urteil des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag, setzten das Königreich unter Verhandlungsdruck. Peinlicherweise wandten sich in der brisanten Frage auch 33 von 56 Mitgliedern des Commonwealth, des Clubs früherer britischer Kolonien, gegen das Mutterland.

Politisch geschickt verbanden Mauritius’ Fürsprecher ihre Initiative mit dem Schicksal der einstigen Chagos-Bewohner. Hunderte, womöglich bis zu 1.700 Chagossians wurden aus ihrer Heimat vertrieben, um dem US-Stützpunkt zu weichen. Die jetzt gefundene Vereinbarung ermöglicht zwar die Ansiedlung von Menschen auf den anderen Inseln des Atolls, Diego Garcia aber ist davon ausdrücklich ausgeschlossen. Dementsprechend fühlen sich die heute zu Tausenden in Crawley südlich von London lebenden Chagossians wieder einmal „absichtlich ignoriert“, wie ein Sprecher berichtet. „Sie wollen heimkehren“, sagt der örtliche Labour-Abgeordnete Peter Lamb. Die Übergabe an Mauritius sei „sehr enttäuschend“.

Tory-Premiers leiteten Verhandlungen ein

In deutlich dramatischerer Wortwahl beklagen Außen- und Sicherheitspolitiker den Deal der Regierung von Premier Keir Starmer. Der Labour-Lord Alan West beschwor die etwaige Übergabe schon vor Jahresfrist als „kolossalen Fehler“, schließlich sei Diego Garcia ein „strategisches Juwel“ und von überragender Bedeutung für die Sicherheit „sowohl der Region wie auch unseres Landes“. Zudem habe sich Mauritius an China gebunden. Auch langjährige Skeptiker des nationalkommunistischen Regimes in Peking wie der konservative Lord Ross Kempsell halten die Entscheidung für falsch. „Wir haben es mit einer echten Bedrohung durch China zu tun. Mir ist unklar, wie die Amerikaner den Stützpunkt weiter benutzen sollen, wenn China dort Fuß fasst“, sagt der Unterhaus-Abgeordnete Iain Duncan Smith.

Die jetzt zum Ende gekommenen Verhandlungen wurden auf britischer Seite 2022 unter der Ägide von Premier Boris Johnson und Außenministerin Liz Truss, der späteren Kurzzeit-Regierungschefin, in die Wege geleitet und unter Truss’ Nachfolger im Außenamt, James Cleverly, energisch weitergeführt. Das hindert alle drei aktuell nicht daran, die Labour-Regierung der „Schwäche“ zu bezichtigen.

Argentinien will die Malvinas zurück

Hingegen lobt sich das Foreign Office dafür, man habe Diego Garcia langfristig für die anglo-amerikanischen strategischen Interessen gesichert. Nach der auf 99 Jahre begrenzten Pacht besteht die Möglichkeit einer Verlängerung um 40 Jahre. Fachleute verweisen zudem darauf, dass Mauritius neben Eswatini (Swaziland) die einzige britische Kolonie ist, die nicht dem chinesischen Netzwerk „Belt and Road Initiative“ angehört. Allerdings gibt es mehrere Dutzend Finanzierungsprojekte Chinas auf Mauritius sowie seit 2021 ein Freihandelsabkommen zwischen den beiden Ländern.

Nach Bekanntgabe des Deals, der durch einen völkerrechtlich bindenden Vertrag abgesichert werden soll, veröffentlichten die zuständigen Behörden von Gibraltar und den Falkland-Inseln (Malvinas) eilige Erklärungen: Ihr eigener Fortbestand als britische Übersee-Territorien sei nicht betroffen. Während Gibraltar von Spanien beansprucht wird, fordert Argentinien die Übergabe der Falklands. Buenos Aires begrüße das „Ende von überholten Praktiken“ und unternehme konkrete Schritte zur Erlangung der Souveränität über die Inselgruppe im Südatlantik, teilte Außenministerin Diana Mondino auf X mit: „Die Malvinas gehören zu Argentinien.“