Montag27. Oktober 2025

Demaart De Maart

Bolsonaro unter DruckBrasiliens Präsident entlässt sechs Minister

Bolsonaro unter Druck / Brasiliens Präsident entlässt sechs Minister
Bolsonaro denkt bereits an die nächsten Wahlen Foto: AFP/Evaristo Sa

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Präsident Jair Bolsonaro bildet inmitten der außer Kontrolle geratenen Corona-Lage in Brasilien das Kabinett um. Er beugt sich damit einer „alten Politik“, mit der er eigentlich brechen wollte.

Angesichts zunehmender Kritik wegen mangelhaften Krisenmanagements in der Corona-Pandemie hat Brasiliens Staatschef Jair Bolsonaro die Spitzen von sechs Ministerien neu besetzt. Die überraschend umfangreiche Kabinettsumbildung wurde am Dienstag per Veröffentlichung im Amtsblatt offiziell gemacht. Experten vermuten dahinter strategisches Kalkül vor der Präsidentschaftswahl 2022.

Zu den Abgängen gehören Außenminister Ernesto Araújo und Verteidigungsminister Fernando Azevedo e Silva. Auf sie folgen der Karrierediplomat Carlos Alberto Franco França und der General Walter Souza Braga Netto, bisher „Chefe da Casa Civil“, vergleichbar mit dem Kanzleramtschef. Während sich der Abschied von Außenminister Araújo zuletzt angedeutet hatte, kamen die restlichen Personalwechsel unerwartet: Weder Bolsonaro noch die Minister hatten darauf Hinweise gegeben.

3.000 Corona-Tote binnen 24 Stunden

Araújo, der zum ultrakonservativen Flügel der Regierung des Rechtspopulisten Bolsonaro zählt, war vor allem nach einem Treffen mit den Präsidenten von Senat und Kongress in der vergangenen Woche unter Druck geraten. Ihm wird erhebliche Mitschuld daran gegeben, dass Brasilien bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie so schlecht dasteht wie kaum ein anderes Land. Am Dienstag vergangener Woche waren im größten Land Lateinamerikas erstmals über 3.000 Corona-Tote binnen 24 Stunden registriert worden. Am Mittwoch überschritt Brasilien die Marke von 300.000 Corona-Toten insgesamt.

Dem Außenminister wurde vorgeworfen, Brasilien auf der internationalen Bühne isoliert und das Land so um eine gute Position beim Erwerb von Impfstoffen gebracht zu haben. Tatsächlich war Araújo maßgeblich in politische Konflikte mit wichtigen Handelspartnern wie China involviert – aus der Volksrepublik importiert Brasilien wichtigen Grundstoff für die Produktion von Corona-Impfstoff.

Bolsonaro nahm den Rücktritt seines Außenministers quasi zum Anlass für einen größeren Umbau. Und dafür, dem „Centrão“ – kleine und kleinste Parteien, die ihre politische Unterstützung gegen Ämter und Posten tauschen – Zugeständnisse zu machen. Im Wahlkampf hatte er zwar versprochen, nicht vor der „alten Politik“ des „dort nehmen, hier geben“ zu kapitulieren. Doch der Präsident der Abgeordnetenkammer und Chef des „Centrão“, Arthur Lira, verschärfte den Ton und kokettierte mit einem Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten angesichts der in Brasilien außer Kontrolle geratenen Corona-Pandemie. Dass Bolsonaro schließlich nachgab, dürfte auch mit der Präsidentschaftswahl 2022 zusammenhängen. (dpa)

Bolsonaro und das Militär

Laut Stimmen aus dem politischen Brasília will Bolsonaro seinen Einfluss auf das Militär mehren. Der nun abgelöste Verteidigungsminister Azevedo hatte sich demnach geweigert, die Politik des Präsidenten zu unterstützen. Bolsonaro soll zu verstehen gegeben haben, dass er sich die Unterstützung des Militärs sichern will, um Notstandsmaßnahmen wegen des Lockdowns zu verhängen, den Bundesstaaten und Städte gegen seinen Willen ausgerufen hatten. Er selbst lehnt einen Lockdown aus wirtschaftlichen Gründen ab. Die Spitzen von Armee, Luftwaffe und Marine trafen sich am Dienstag mit dem neuen Verteidigungsminister Braga Netto. Danach verkündete das Verteidigungsministerium ihre Ablösung. Schon zuvor war spekuliert worden, dass sie in Azevedos Gefolgschaft ihren Rücktritt anbieten könnten.