Trumps neuer geschäftsführender Verteidigungsminister Christopher Miller kündigte nun an, die US-Truppenstärke in dem Land bis zum 15. Januar von rund 4.500 auf 2.500 Soldaten zu verringern. Die NATO-Bündnispartner blicken mit Sorge auf Trumps eiligen Truppenabzug.
Trump, dessen Amtszeit nach seiner Wahlniederlage am 20. Januar endet, drängt seit geraumer Zeit auf einen raschen Truppenabzug aus Afghanistan. Im Oktober hatte er sogar angekündigt, er wolle alle verbliebenen US-Soldaten bis Weihnachten abziehen. Dies hatte für erhebliche Unruhe im Bündnis gesorgt, da die Einheiten der anderen NATO-Länder in Afghanistan auf die logistische und sicherheitstechnische Unterstützung der USA angewiesen sind.
Die Sorgen wurden größer, als Trump den seinen Abzugsplänen kritisch gegenüberstehenden Verteidigungsminister Mark Esper feuerte und durch Miller ersetzte. Dessen Chefberater ist der frühere Armee-Oberst und erklärte Abzugs-Befürworter Douglas Macgregor, der in einem Interview mit dem Sender Fox News gesagt hatte, es mache „keinen Unterschied“, wann die USA aus Afghanistan abzögen. In dem Land werde sowieso „alles zerfallen“.
„Plattform für internationalen Terrorismus“
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg warnte hingegen vor dem „sehr hohen Preis“ eines „zu frühen oder unkoordinierten Abzugs“ aus Afghanistan. Das Land drohe dann zu einer „Plattform für den internationalen Terrorismus“ zu werden, erklärte er am Dienstag in Brüssel. Die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) könnte „das Terror-Kalifat wieder aufbauen, das sie in Syrien und im Irak verloren hat“, fügte er hinzu. US-Militärexperten zufolge reichen 2.500 US-Soldaten nicht aus, um die Stabilität in Afghanistan zu gewährleisten.
Klar sei, dass die „nichtamerikanischen Truppen ohne die US-Soldaten nicht in Afghanistan bleiben könnten“, sagte der Afghanistan-Experte Thomas Ruttig. Die Einheiten anderer NATO-Staaten seien allein nicht in der Lage, „bestimmte logistische und operative Funktionen“ ohne die US-Armee auszuführen. Überdies habe die NATO stets betont, dass die Bündnis-Partner den Einsatz in Afghanistan gemeinsam begonnen hätten und auch der Abzug gemeinsam erfolgen werde.
Auch Bewohner der afghanischen Hauptstadt Kabul zeigten sich besorgt. „Der Abzug ausländischer Soldaten wird dazu führen, dass die Taliban die Gewalt eskalieren werden“, sagte Fatima Safari der Nachrichtenagentur AFP. Ein Sprecher des afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani erklärte zunächst lediglich, der Staatschef habe mit Pentagon-Chef Miller über eine „fortgesetzte bedeutungsvolle US-Militärunterstützung“ für die afghanischen Sicherheitskräfte gesprochen.
„Großer Propaganda-Sieg“ für die Islamisten
Erfreut zeigten sich die Taliban. Ein Taliban-Sprecher bezeichnete die US-Ankündigung als „guten Schritt und im Interesse der Menschen in beiden Ländern“: „Je früher die ausländischen Kräfte abziehen, desto mehr wird der Krieg verhindert.“ Die USA hatten ihre Truppenstärke nach Abschluss eines Abkommens mit den Taliban Ende Februar schon von rund 13.000 auf etwa 4.500 deutlich abgesenkt. Im Gegenzug sollten die Taliban die Gewalt in Afghanistan reduzieren und Garantien dafür geben, dass sie das Terrornetzwerk Al-Kaida und die IS-Miliz bekämpfen. In den vergangenen Monaten nahm die Gewalt aber wieder zu. Der bisherige US-Verteidigungsminister Mark Esper war deswegen gegen eine weitere Senkung der Truppenstärke.
Der nun angekündigte Truppenabzug stieß in den USA auf ein geteiltes Echo. Der demokratische Senator Jack Reed warf Trump eine „zynische, chaotische Herangehensweise“ vor, die zu „mehr Chaos und Gewalt in Afghanistan führen“ könnte. Der demokratische Abgeordnete Adam Smith sprach dagegen von einer „richtigen Entscheidung“. Letztlich müssten die Afghanen selbst einen Weg zum Frieden finden. In den eigenen Reihen stößt Trumps Entscheidung auf Ablehnung. Der republikanische Mehrheitsführer im US-Senat, Mitch McConnell – eigentlich ein treuer Trump-Unterstützer – hatte bereits am Montag gewarnt, die USA würden mit einem rascheren Abzug Verbündete „aufgeben“ und Islamisten einen „großen Propaganda-Sieg“ bescheren.
Sollten die USA ihre Truppen noch vor Weihnachten komplett abziehen, dann rechnet der frühere NATO-Oberbefehlshaber James Stavridis mit dramatischen Folgen. Die NATO-Partner müssten dann auch „in Windeseile abziehen“, sagte er kürzlich in einem Spiegel-Interview. Und die Friedensgespräche mit den Taliban würden „kollabieren“. (AFP/Red.)
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