18. Dezember 2025 - 6.49 Uhr
DeutschlandAus Bürgergeld wird Grundsicherung
Das Bürgergeld dürfte bald Geschichte sein: Am Mittwoch hat das Bundeskabinett einen Gesetzesentwurf zum Umbau der Leistung auf den Weg gebracht. Sie soll künftig neue Grundsicherung heißen. Ein Hauptziel der Reform ist, mehr Menschen in Arbeit zu bringen. Dabei waren Details des Gesetzesentwurfs bis zuletzt strittig. Worauf sich Leistungsempfänger einstellen müssen, welche Kritik es gibt und wie es nun weitergeht.
Welche Reformen sind geplant? Das Bürgergeld soll künftig Grundsicherung heißen und das „Verhältnis zwischen Unterstützung und Mitwirkung, zwischen Solidarität und Eigenverantwortung“ neu austariert werden, wie es in dem Gesetzentwurf von Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) heißt. Eine wesentliche Änderung ist, dass es zu härteren Sanktionen kommt, wenn Empfänger nicht mit der Arbeitsagentur kooperieren. So soll es unverzüglich einen zweiten Termin im Jobcenter geben, wenn ein erster Termin nicht wahrgenommen werden kann. Wird auch dieser versäumt, werden die Leistungen um 30 Prozent gekürzt. Beim dritten versäumten Termin werden die Zahlungen vorerst gestrichen. Personen, die eine zumutbare Arbeit ablehnen, durch die sie ihre Hilfebedürftigkeit beenden könnten, kann der Regelbedarf für maximal zwei Monate entzogen werden.
Was ändert sich sonst noch? Härter vorgehen soll der Staat künftig auch beim Vermögen der Betroffenen. So sieht der Gesetzentwurf die Abschaffung einer festen Karenzzeit für Schonung von Vermögen vor. Vorrangig soll eigenes Einkommen und Vermögen eingesetzt werden, bevor Grundsicherung fließt. Aktuell dürfen Bürgergeld-Beziehende im ersten Jahr ein Schonvermögen bis 40.000 Euro und weitere 15.000 Euro für Lebenspartner behalten.
Wie viele Menschen sind von der Reform betroffen? Insgesamt gibt es beim Bürgergeld rund 5,5 Millionen Leistungsberechtigte – von ihnen war zuletzt aber nur ein Bruchteil mit Sanktionen belegt. Etwas mehr als die Hälfte der Bezieher sind deutsche Staatsbürger. Unter den Empfängern mit ausländischem Pass stammte der größte Anteil aus der Ukraine.
Worum wurde gerungen? Einwände waren zuletzt von den unionsgeführten Ressorts für Wirtschaft und Inneres gekommen. Es ging um die Frage, wie mit Menschen umgegangen wird, die sich nicht zurückmelden. Die Regierung einigte sich nun darauf, dass Betroffenen Gelegenheit zur persönlichen Anhörung gegeben werden muss, bevor es zu einer Komplettstreichung kommt – etwa durch einen Telefonanruf oder einen Besuch. Zugleich sollen Betroffene den Leistungsentzug aber nicht durch Abtauchen verhindern können. Das war die Sorge von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche. Durch die nun gefundene Formulierung soll klar sein, dass die persönliche Anhörung nicht zwingend auch stattgefunden haben muss. In Härtefällen, etwa bei psychisch Erkrankten oder bei anderen wichtigen Gründen, soll die Terminverweigerer-Regel allerdings nicht gelten. Besonders schutzwürdige Personen wie Alleinerziehende oder Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen könnten weiterhin darauf vertrauen, „dass ihre spezifische Lebenslage gesehen und berücksichtigt wird“, versicherte Bas.
Scharfe Kritik von der Linken
Wie hoch sind die erwartbaren Einsparungen? Die CDU hatte noch vor einigen Monaten Einsparungen in zweistelliger Milliardenhöhe versprochen. Unterm Strich dürfte es aber weit weniger sein: Der Gesetzentwurf aus dem Haus von Arbeitsministerin Bas erwartet „keine nennenswerten Einsparungen“ allein durch die Reform. An der generellen Höhe der Bezüge (563 Euro für Alleinstehende) würde sich bei Einführung der Grundsicherung nichts ändern. Wie viel Geld die Änderungen am Ende einbringen, wird daher vor allem davon abhängen, wie viele Menschen in Arbeit gebracht werden können.
Wie fallen die Reaktionen von politischer Seite aus? Der Bundesvorsitzende des CDU-Arbeitnehmerflügels (CDA), Dennis Radtke, begrüßte die Reform. „Es ist gut, dass das monatelange Ringen nun zu einem Abschluss geführt hat. Mit dem Kabinettsbeschluss zur neuen Grundsicherung wird ein wichtiges Kapitel der Sozialpolitik aufgeschlagen – und das Kapitel Bürgergeld beendet“, sagte er dem Tageblatt. Scharfe Kritik kam hingegen von der Linken. Deren Parteichefin Ines Schwerdtner sagte: „Nur weil es ein paar wenige Verweigerer gibt, kann man doch nicht Millionen Betroffene unter Generalverdacht stellen. Das ist schäbig.“
Hohe Vermögen stärker besteuern
Was sagen Wirtschaftsvertreter und Verbände? Der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Peter Adrian, lobte die Reform. „Das ist ein Signal in die richtige Richtung. Man hat als Transferempfänger auch eine Leistungsverpflichtung, wenn man vom Steuerzahler finanziert wird und arbeitsfähig ist“, sagte er. „Wir müssen aber künftig vor allem auch die Anreize für die Arbeitsaufnahme erhöhen.“ Die Vorsitzende des Sozialverbandes Deutschland (SoVD), Michaela Engelmeier, übte dagegen Kritik. „Ich mache mir große Sorgen, dass diese Reform mit ihren zahlreichen Verschärfungen viele Menschen im Grundsicherungsbezug trifft, die weder betrügen noch sich der Arbeit verweigern“, sagte sie. Sie plädierte zudem für eine stärkere Besteuerung hoher Vermögen und Erbschaften. „Es ist höchste Zeit, den Blick auch nach oben zu richten, anstatt immer wieder bei denen zu kürzen und streng zu sein, die ohnehin schon kaum etwas haben.“
Wie geht es nun weiter? Der Gesetzesentwurf muss noch durchs Parlament. Bei der CDU wird es keinen Widerstand geben, immerhin haben die Christdemokraten die Abschaffung des Bürgergelds auch in ihrem Wahlprogramm gefordert. Weiter dürfte der Weg für die Sozialdemokraten sein, die das Bürgergeld 2023 gemeinsam mit Grünen und FDP eingeführt hatten. Es sollte ein „neues System weg von Hartz IV“ werden, wie es Bas Amtsvorgänger Hubertus Heil (SPD) damals ausdrückte. Teilen der SPD gehen die Verschärfungen nun zu weit, sie haben daher ein Mitgliederbegehren gestartet. Stimmt der Bundestag dem Gesetz im kommenden Jahr zu, ist ein Inkrafttreten Mitte 2026 geplant.
De Maart
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