2014 war Kahwadschi, wie so viele Syrer unter Assad, wegen „Terrorismus“ verurteilt worden. „Ich ging noch auf’s Gymnasium“, sagt er. „55 Tage habe ich in einem Keller verbracht. Wir waren 55 Gefangene in einem Kerker, zwei sind gestorben, einer von ihnen an Diabetes“, berichtet der junge Mann.
Nach der Eroberung von Damaskus durch die Milizen am Sonntag öffneten die neuen Machthaber in Syrien die Tore des von hohen Betonmauern gesäumten Sicherheitsblocks in Damaskus. Bis vor Kurzem lief vielen Syrern schon allein beim Anblick des Gebäudekomplexes ein Schauer über den Rücken. Viele vom Regime als Gegner ausgemachte Bürgerinnen und Bürger des Landes wurden zunächst hier verhört und gefangengehalten, bevor sie in andere Gefängnisse abtransportiert wurden. Andere haben das Gelände nicht lebend verlassen.
Im dunklen Inneren lassen Zelleninschriften wie „meine liebste Mutter“ das Leid der Inhaftierten erahnen. Die Einzelzellen sind so eng, dass Gefangene sich nicht hinlegen konnten. In anderen Zellen mussten bis zu 80 Gefangene abwechselnd schlafen, berichtet der Ex-Häftling Thaer Mustafa, der als Deserteur verhaftet worden war.
Nach der Öffnung des Sicherheitskomplexes durch die Milizen sind tausende Syrerinnen und Syrer in die Gebäude geströmt und durchwühlten die Dokumente der Sicherheitsbehörden, auf der Suche nach Spuren darüber, wie sie oder Angehörige von den Geheimdiensten beobachtet wurden. Tausende Akten, die in den ehemaligen Büros auf dem Boden liegen, zeigen, wie dicht die Überwachung war. Die syrische Regierung hatte sich ein System aus Spitzeln aufgebaut. Wer Informationen über seine Mitbürger lieferte, wurde bezahlt.
Viele suchen auch im Saidnaja-Gefängnis
Auf einer Liste sind Namen von mehr als 10.000 Gefangenen aufgeführt, die den Muslimbrüdern angehörten. Die sunnitische Bewegung hatte 1982 versucht, in Hama gegen Assads Vater Hafis al-Assad zu putschen. Bei der blutigen Niederschlagung des Widerstands wurden Schätzungen zufolge zwischen 10.000 und 40.000 Menschen getötet. Die Zugehörigkeit zur Muslimbrüderschaft wurde unter Todesstrafe gestellt.
Chulud Amini ist zusammen mit ihrem Mann und ihrer Tochter zum Sicherheitskomplex der gestürzten Regierung gekommen. „Wir haben gehört, dass es hier versteckte Kerker gibt“, sagt die 53-Jährige. „Ich suche meinen Sohn Obada Amini, er wurde 2013 verhaftet. Er war Student an der technischen Fakultät. Ich war auch in Saidnaja, aber da habe ich ihn nicht gefunden.“ Das Saidnaja-Gefängnis im Norden von Damaskus steht wie kein zweites für die Brutalität des Assad-Clans, der Syrien seit 1971 regierte.
Menschen waren am Montag dorthin geströmt, um nach vermissten Angehörigen zu suchen. Berichte über geheime unterirdische Zellen unter dem Saidnaja-Gefängnis bestätigten sich nach Angaben der Hilfsorganisation Weißhelme jedoch nicht.
Sie habe gehört, dass es auch im Sicherheitskomplex in Damaskus unterirdische Verliese geben soll, sagt Amini. „Ich hoffe, dass alle Gefängnisinsassen in Syrien befreit werden, nicht nur mein Sohn.“
De Maart
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