„Das wäre das 1:0 für uns“, verlautete am Dienstag aus Kommissionskreisen.
Wie viel Gas Präsident Ilham Alijew den Europäern bereitstellt, blieb zunächst offen. Ebenso, wann und zu welchen Konditionen. Allerdings wäre eine Garantie aus Baku für den südlichen Korridor ein erster Durchbruch, der auch zum grünen Licht für das Pipelineprojekt Nabucco führen könnte.
Zwar wurde dafür bereits vor anderthalb Jahren ein Rahmenabkommen mit den Transitstaaten geschlossen. Der tatsächliche Baubeschluss für die 3.300 Kilometer lange Leitung von der Türkei bis ins österreichische Baumgarten wurde aber mangels verbindlicher Zusagen der Gaslieferanten immer wieder verschoben. Und Aserbaidschan ist einer der wichtigsten potenziellen Einspeiser.
Unabhängig von Moskaus
Für die EU ist das Gas vom Kaspischen Meer von strategischer Bedeutung, um vom Moskauer Gashahn unabhängiger zu werden. Derzeit bezieht die EU nach Kommissionsangaben 40 Prozent ihres Gases aus Russland. Die Abhängigkeit würde auch nicht wesentlich geringer, wenn die zentralasiatischen Staaten ihr Gas zunächst nach Russland und dann durch die geplante Gazprom-Pipeline South Stream durchs Schwarze Meer nach Europa leiten würden. „Dann würden wir russischen Firmen Geld für kaspisches Gas zahlen“, heißt es.
Das Abkommen mit Baku stellt nach Angaben Brüssels nun eindeutig klar, dass die Europäer einen direkten Zugang zu den Energiequellen erhalten.
Allerdings bleiben auch danach zahlreiche Fragezeichen. Zum einen ist unklar, welche Reserven Aserbaidschan überhaupt hat. Das größte Gasfeld Schah-Deniz-II muss erst erschlossen werden, und ein Teil der Förderung hat Baku bereits an Moskau verkauft. Zudem reicht der Anteil aus dem Land nicht aus, um Nabucco zu füllen: Durch die Leitung sollen jährlich bis zu 31 Milliarden Kubikmeter Gas in die EU strömen.
Zeitdruck ist groß
Neben Aserbaidschan soll auch Turkmenistan die Pipeline befüllen, doch mit dem Staat ist die EU noch nicht weit gekommen. Zwar reisen EU-Kommissionschef José Manuel Barroso und Energiekommissar Günther Oettinger am Freitag aus Baku nach Asgabat weiter. Ein Abkommen wird aber nicht erwartet. Dabei ist der Zeitdruck groß: Damit wie geplant ab 2016 Gas aus dem Schah-Deniz-Feld Richtung Westen sprudeln kann, müssen in diesem Frühjahr die Investitionsentscheidungen getroffen werden – sonst wird die Erschließung nicht rechtzeitig gelingen. Für 200 Millionen Euro Fördergeld Brüssels für das Nabucco-Projekt könnte es bereits zu spät sein: Das Geld muss bis Ende März vom Investorenkonsortium um RWE abgerufen werden, sonst verfallen die Mittel aus dem Brüsseler Konjunkturprogramm. Davor müssten die Firmen aber ihre tatsächliche Investitionsentscheidung für Nabucco treffen.
Zurückhaltung bei Nabucco
Da wundert es nicht, dass die EU in mit ihrer Präferenz für Nabucco zurückhaltender geworden ist. Denn es gibt alternative europäische Pipelineprojekte wie White Stream durch die Ukraine und Rumänien oder die in Italien mündenden Netze TAP und ITGI, die alle an bestehende Leitungen ansetzen würden. Ende März will sich Baku festlegen, wer von ihnen den Zuschlag erhält.
In Brüssel hätte man zwar nach wie vor am liebsten die neue und prestigeträchtige Nabucco-Leitung, die ganz in der Hand eines europäischen Konsortiums läge. Wegen der vorerst unübersichtlichen Liefermenge sehen Experten die schlankeren Konkurrenten mit einer Fördermenge von bis zu zehn Milliarden Kubikmetern Gas aber in einer vorteilhaften Lage. „Für dieses Jahrzehnt scheint mir das die bessere Größe“, sagt Jonathan Stern vom Oxford Institute of Energy Studies. „Für Nabucco ist 2020 ein realistischerer Zeithorizont.“
De Maart

Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können