Es war der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble, der im Krisenfall Zypern wiederholt den „völlig überdimensionierten Bankensektor“ in dem Euro-Inselstaat geißelte. Ob gewollt oder nicht – er zog damit die Aufmerksamkeit auch auf andere Länder wie etwa Luxemburg: Ein Kleinstaat, dessen Finanzsektor gemessen an seiner Wirtschaftsleistung riesig ist, weit größer als das in Zypern der Fall ist. Ganz ohne besondere Risiken ist das Luxemburger „Geschäftsmodell“ nicht, sagen Experten. Dennoch müsse sich das Land zumindest derzeit keine Sorgen machen. Auch Schäuble betonte zuletzt, ein Vergleich beider Länder sei absurd. Die Zahlen stützen diese Sichtweise.
Die Fakten belegen: Gemessen an der jährlichen Wirtschaftsleistung ist Luxemburg mit seinem Finanzsektor mit Abstand Europa-Meister. Die Bilanzsumme seiner Geldhäuser erreichte nach Analysen der Deutschen Bank, die auch mit Zahlen der EZB arbeitete, 2012 fast das 22-Fache des luxemburgischen Bruttoinlandsprodukts (BIP). Dabei ist die Tendenz immerhin fallend: 2001 war der Finanzsektor noch 36 Mal so groß wie das BIP, 2008 betrug die Relation noch 34 zu Eins.
Anders als Zypern
Im Durchschnitt liegt dieser Wert in der Euro-Zone bei etwa 3,5. In Zypern, das durch seine maroden Banken an den Rand des Bankrotts gerissen wurde, pendelt die Relation zwischen dem Sieben- bis Achtfachen. Gemessen an Deutschland ist das immer noch viel. Für Deutschland ermittelten die Experten der Deutschen Bank einen Wert von gut dem Dreifachen des BIP, für Großbritannien das Fünffache. Doch solche Zahlen sagen nicht alles.
Dem Chefvolkswirt der Dekabank, Ulrich Kater, bereiten die Luxemburger Relationen jedenfalls keine Bauchschmerzen, wie er sagt. Das Hauptargument: „weil hinter den Bilanzsummen in Luxemburg internationale Bankkonzerne stehen.“ Ob ein sehr großer Bankensektor Anlass zur Sorge gebe, hänge maßgeblich davon ab, ob dahinter starke Partner stünden: seien es ein starker Staat oder finanzkräftige Mutterhäuser. Und dies sei in Luxemburg der Fall. Dennoch bringe eine starke Finanzlastigkeit Risiken mit sich. „Es gibt sicherlich Grenzen der finanziellen Vertiefung einer Volkswirtschaft“, warnt Kater. Das habe man in der Finanzkrise gelernt. Man sollte daher auf das Verhältnis von Finanz- und Realwirtschaft „ein Auge haben“.
Fondsgeschäft floriert
Derzeit sind nach Angaben der Finanzaufsicht des Großherzogtums insgesamt 141 Banken im Land tätig. Aber nur fünf sind luxemburgische Institute. Beim Rest handelt es sich um Töchter von ausländischen Banken – allein 37 davon aus Deutschland. Was noch wichtiger ist: In Luxemburg sind so viele Investmentfonds wie nirgendwo sonst in Europa angesiedelt – fast 4000. Sie verwalten ein Vermögen von fast 2,4 Billionen Euro. Vor zwei Jahren waren es noch gut 500 Milliarden Euro weniger – das Geschäft mit den Fonds floriert also.
Das Bankensystem in Luxemburg ist insgesamt, wie auch der Staat, ökonomisch ganz anders ausgerichtet und ungleich stabiler als in Zypern. Das sagt auch Schäuble. Der staatliche Schuldenstand liegt nur bei etwas über 20 Prozent – Deutschland kommt auf über 80 Prozent der Wirtschaftleistung. Die Kernkapitalquote der Banken (Tier 1) hierzulande erreicht mit gut 16 Prozent überdurchschnittliche Werte – mehr als das Doppelte der zyprischen Institute. Und nimmt man den Anteil von Ausfällen im Kreditgeschäft der Geldhäuser, so liegt der nirgendwo im Euro-Raum niedriger als in Luxemburg.
Ein Risiko bleibt
Dennoch fährt Luxemburg mit seiner hohen Abhängigkeit vom Finanzsektor ein Risiko. Käme es zu einer Finanzkrise wie 2008 und 2009, stünde Europas größte Investmentfonds-Industrie und seine zweitgrößte Geldmarkt-Industrie im Feuer, analysiert der Internationale Währungsfonds (IWF). Und dass die ausländischen Muttergesellschaften ihre Töchter in Luxemburg auffangen, wie Deka-Chefvolkswirt Kater argumentiert, gelte auch nicht mehr zwangsläufig. „Der systemische Charakter der Finanzkrise hat das lange Zeit gültige Axiom infrage gestellt, dass Muttergesellschaften ihre ausländischen Filialen immer unterstützen würden, wenn sie in Schwierigkeiten geraten“, stellte der IWF nach der Finanzkrise fest.
Doch trotz der Risiken hat die Finanzkrise Luxemburg letztlich nicht aus dem Gleis geworfen – was für die Stabilität des dortigen Modells spricht. Vorwürfe, mit laxen Kontrollen gerade zwielichtige Kapitalanleger anziehen zu wollen, sieht sich Luxemburg anders als Zypern nicht ausgesetzt. Allerdings: Wie Zypern setzt Luxemburg auf niedrige Steuern für ihre Finanzkunden, was im Euro-Raum Kritiker hat.
„Pofitabel und liquide“
„Der Finanzsektor hat der Krise standgehalten und ist stabil geblieben“, lobte der IWF vor einigen Monaten Luxemburg in Rahmen eines Länderberichts. Mehr noch, der Sektor habe sich wieder erholt. „Die in Luxemburg ansässigen Banken sind generell gut kapitalisiert, profitabel und liquide geblieben“, lautete das IWF-Urteil. Von solchen Befunden kann Zypern nur träumen.
Luxemburgs Regierung stöhnte nach Schäubles Mahnung auf und verbat sich in Person von Außenminister Jean Asselborn scharf Ratschläge aus Deutschland. Dafür erhielt Asselborn von Schäuble die Replik, wenn einer Parallelen zwischen Zypern und Luxemburg ziehe, sei es eher Asselborn selbst. Und giftig schoss der Bundesfinanzminister hinterher, wenn Luxemburg für sich schon Sonderregeln beim Informationsaustausch in Steuerdingen reklamiere, dann sollte es sich lieber etwas leiser geben.
De Maart

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