Russland schickt keine Truppen nach Kirgistan?

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Zwei Monate nach dem Sturz des autoritären Präsidenten Bakijew werden die Unruhen in Kirgistan immer heftiger. Im Süden des zentralasiatischen Landes kamen in den vergangenen Tagen bei Zusammenstößen zwischen Kirgisen und usbekischer Minderheit mehr als 60 Menschen ums Leben, hunderte wurden verletzt.

Die Übergangsregierung signalisierte am Samstag mit einem Hilferuf nach russischen Truppen, selbst außerstande zu sein, die ethnischen Unruhen in den Griff zu bekommen. „Wir brauchen ausländische Soldaten, um die Lage zu beruhigen“, sagte Regierungschefin Rosa Otunbajewa.

Es handele sich um einen internen Konflikt, hieß es in Moskau zur Begründung. In dem zwischen den Volksgruppen tief gespaltenen Kirgistan wurden bei der jüngsten Gewalt inzwischen mindestens 65 Menschen getötet, mehr als 900 verletzt. Insbesondere in Osch, der zweitgrößten Stadt des Landes, eskalierten die Unruhen.

Ganze Straßenzüge standen Augenzeugen zufolge in Flammen, über der gesamten Stadt hingen dichte Rauchschwaden. Die Übergangsregierung erklärte, sie sei angesichts der Ausschreitungen weitgehend machtlos. Sie könne die bewaffneten Banden nicht daran hindern, in Osch die Häuser und Geschäfte der dort lebenden Usbeken niederzubrennen. Otunbajewa sagte, sie habe mit Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin telefoniert und ein Hilfsgesuch an Präsident Dmitri Medwedew gerichtet.

Doch die Moskauer Regierung winkte ab: Bislang seien die Bedingungen nicht dafür gegeben, dass Russland an der Lösung des internen Konflikts teilhabe, sagte eine Sprecherin von Präsident Medwedew der Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Die Regierung sagte demnach aber humanitäre Hilfe zu. Auch werde Medwedew beim Sicherheitsbündnis der ehemaligen Sowjetstaaten über gemeinsame Reaktionen beraten lassen.

Ausgangssperre zeigt keine Wirkung

„Usbekische Häuser, Restaurants und Cafes brennen“, sagte ein Augenzeuge. „Die Situation ist sehr schlecht und nichts deutet auf eine Ende hin. Manche Häuser brennen lichterloh“, sagte auch Rachmatillo Achmedow, Sprecher des Innenministeriums.

Lebensmittel drohten zur Neige zu gehen. Die kirgisische Regierung hatte am Freitag für die Region um Osch den Ausnahmezustand ausgerufen, eine nächtliche Ausgangssperre verhängt und Soldaten entsandt, nachdem Hunderte Jugendliche mit Schusswaffen und Stahlstangen aufeinander losgegangen waren.

Am Samstag weitete die Übergangsregierung den Ausnahmezustand auf die Region um die ebenfalls im Süden gelegene Stadt Dschalalabad aus. Die Gewalt greife von Osch über, sagte ein Regierungssprecher. Die Lage sei nicht gut, Schüsse seien zu hören. Der Süden des zentralasiatischen Landes ist die Machtbasis des im April gestürzten Präsidenten Kurmanbek Bakijew.

Die Regierungschefin beschuldigte Anhänger des Ex-Präsidenten, die Unruhen angefacht zu haben, um eine Abstimmung über Verfassungsänderungen am 27. Juni zu sabotieren. Seit den Protesten gegen Bakijew ist das verarmte Land nicht zur Ruhe gekommen. In Kirgistan unterhalten sowohl Russland als auch die USA Militärstützpunkte. Knapp 70 Prozent der 5,3 Millionen im Land lebenden Menschen sind Kirgisen.

Usbeken stellen insgesamt knapp 15 Prozent der Bevölkerung, in der Region um Osch sind es allerdings 50 Prozent. Dort waren schon 1990 durch Gewalt zwischen Usbeken und Kirgisen Hunderte Menschen getötet worden. Damals hatte der frühere sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow Truppen nach Kirgistan entsandt.

(Reuters)