Neue Wahlgesetze heiß umstritten

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Am 6. November kann jeder wahlberechtigte US-Bürger seine Stimme in den Präsidentenwahlen abgeben. Oder doch nicht? Republikanische Politiker versuchen mit vielen Tricks, potenzielle Obama-Wähler von den Urnen fernzuhalten.

Das Thema Wählerregistrierung entwickelt sich zum heißen Eisen im US-Präsidentschaftswahlkampf. Seit der schwarzen Bürgerrechtsbewegung in den 1960er Jahren war die Wahlrechtsfrage nicht derart umstritten. Von Republikanern regierte Bundesstaaten haben Gesetze erlassen, die es bis zu fünf Millionen Amerikanern unmöglich machen, ihre Stimme am 6. November abzugeben, schätzt das „Brennan Center for Justice“ der New York University.

Davon betroffen sind vor allem Latinos, Afroamerikaner, junge und ältere Wähler – jene Wählergruppen, die 2008 die Wahl für Barack Obamas entschieden haben. Auch in diesem Jahr könnten diese Wähler zum Zünglein an der Waage werden. Wenige Monate vor der Wahl wächst die Verwirrung unter den Wählern. Experten befürchten, dass viele einfach zu Hause bleiben werden.

Form des generellen Misstrauens

Anders als in Deutschland gibt es in den USA keinen nationalen Personalausweis, erklärt die Wahlrechtsexpertin Sima Osdoby. Dies sei nicht nur im Föderalismus begründet, sondern auch eine Form des generellen Misstrauens, dass die Amerikaner ihrer Regierung entgegenbringen. Das Ergebnis sei ein kompliziertes, uneinheitliches, und für parteipolitische Manipulationen anfälliges System.

Bis zum Inkrafttreten des Wahlrechtsgesetzes von 1965 wurden Afroamerikaner regelmäßig vom Wählen abgehalten. Die Behörden verhängten Kopfsteuern, verordneten Lesetests oder ließen schwarze Wähler sogar ausrechnen, wie viele Seifenblasen in einem Stück Seife waren. Diese diskriminierenden Regelungen wurden als „Jim-Crow“-Gesetze bezeichnet, benannt nach einer Varieté-Figur aus dem 19. Jahrhundert, die Afroamerikaner verunglimpfte.

13 Staaten schränken ein

Seit 2011 haben 13 Bundesstaaten restriktive Wahlgesetze erlassen, unter ihnen „Swing-States“ mit vielen unentschlossenen Wählern wie Florida, Ohio, Pennsylvania und Virginia. Vor 2011 gab es nur in zwei Staaten solche Regelungen. In fünf Staaten haben Gouverneure oder Gerichte diese Gesetze wieder aufgehoben. Auch das US-Justizministerium kämpft gegen die Gesetze und brachte im Juni eine Klage gegen eine Säuberungsaktion der Wählerregister in Florida ein. Diese verletze das Wahlregistrierungsgesetz und enthalte „Fehler, die Wahlberechtigte verwirren und ihnen schaden.“

Die neuen Gesetze erlauben unter anderem, dass angeblich illegale Einwanderer aus den Wählerlisten gestrichen werden. Sie erschweren die Registrierung oder die Stimmabgabe vor dem offiziellen Wahltermin. All dies sei eine Wiederbelebung der alten Hemmnisse, sagt Hilary Shelton von der Nationalen Organisation zur Förderung farbiger Menschen (NAACP). „Wir haben sehr hart für die Gesetze in den 60ern gearbeitet und sollten die Jim-Crow-Gesetze endgültig begraben können.“ Stattdessen erfreue sich Jim Crow „bester Gesundheit und versucht mit mieseren Tricks als je zuvor, Wähler zu entrechten“, kritisiert die Aktivistin.

Gesetze gegen Wahlbetrug

Die neuen Gesetze seien gegen Wahlbetrug gerichtet, argumentieren die Republikaner. Nach einer Schätzung seien zum Beispiel 1,8 Millionen Verstorbene auf den Wählerlisten. Doch richtiger Wahlbetrug ist sehr selten. Selbst die konservative Anwaltsvereinigung der Republikaner (RNLA) stellte im letzten Jahrzehnt landesweit nur 400 Fälle fest. 150 Millionen Amerikaner sind als Wähler registriert. Mike Turzai, ein republikanischer Abgeordneter in Pennsylvania, nannte einen wohl realistischeren Grund für diese Verordnungswelle. Das Fotoausweis-Gesetz seines Bundesstaats solle es „Gouverneur Mitt Romney erlauben, in Pennsylvania zu gewinnen.“

Die neuen Ausweisgesetze treffen junge Wähler und arme Minderheitengruppen am stärksten. So besitzen etwa 25 Prozent der schwarzen Bevölkerung keinen offiziellen Ausweis wie etwa einen vom Heimatbundesstaat ausgestellten Führerschein oder einen Reisepass, sagt das Brennan Center. Bei Weißen seien es nur 8 Prozent. Die Regelung in Texas erlaubt für die Träger versteckter Waffen ausgestellte Ausweise zur Identifikation, jedoch keine Studentenausweise. Diese Gesetz schränke vor allem Mitglieder der Latino-Minderheit ein, so Keesha Gaskins vom Brennan Center.

Im ebenfalls republikanisch regierten Florida wurden Briefe an Tausende Wähler verschickt: Sie müssten innerhalb von 30 Tagen ihre Staatsbürgerschaft nachweisen oder sie verlieren ihr Wahlrecht. „Ich bin ausgeflippt“, sagte der 91-jährige Kriegsheld Bill Internicola der Zeitung „Miami Herald“.