„L’Europe veut le sommet, l’Europe l’obtiendra!“

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Die EU-Staats- und Regierungschefs haben sich zum Ziel gesetzt, mit ihren internationalen Partnern so schnell wie möglich das internationale Finanzsystem zu reformieren./Von unserem Redakteur Guy Kemp, Brüssel

Der EU-Ratsvorsitzende und französische Präsident Nicolas Sarkozy hatte bereits am Vortag klar gemacht, dass die derzeitige Finanzkrise Konsequenzen haben müsse. Er schlug denn auch gestern vor, ein zweites Bretton Woods zu organisieren, das eine „echte und umfassende Reform des internationalen Finanzsystems“ durchführen müsse. Dazu sollte ein Weltfinanzgipfel organisiert werden, der noch im kommenden November abgehalten werden müsse, forderte Sarkozy gestern. Dieser Gipfel sollte möglicherweise in New York über die Bühne gehen.
Sarkozy begründete das nun gebotene rasche Handeln mit den in den USA am 4. November stattfindenden Präsidentschaftswahlen. Er will nicht auf den nächsten US-Präsidenten warten, der möglicherweise erst im Frühjahr für ein solches Vorhaben bereit sein dürfte.
Der französische Präsident befürchtet jedoch, dass sich die Finanzkrise bis dahin gelegt haben und dass die USA dann nicht mehr an der Notwendigkeit einer solchen Reform interessiert sein könnten. Sarkozy und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso wollen den amerikanischen Präsidenten George W. Bush bei einem Treffen am kommenden Samstag von dem Abhalten eines solchen Weltfinanzgipfels überzeugen.
Sarkozy gab sich gestern jedenfalls sehr entschlossen, diesen durchzusetzen, als er sagte: „L’Europe veut le sommet avant la fin de l’année. L’Europe le demande, l’Europe l’obtiendra!“ (siehe auch nebenstehenden Artikel).

Monatliches Treffen der Bankaufsichten

Damit stand das Treffen der 27 auch am zweiten Tag „ganz im Zeichen der Finanzkrise“, wie der luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker erklärte. Der Europäische Rat habe, wie zu erwarten war, die von den Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone am vergangenen Sonntag in Paris getroffenen Entscheidungen „ohne Abstriche“ angenommen. Die 27 hätten jedoch, anders als dies beim Treffen der Eurogruppe der Fall gewesen wäre, mehr auf die Einhaltung der Regeln der Staatsbeihilfen und des Binnenmarktes gepocht, wenn die öffentliche Hand angeschlagenen Finanzinstituten zur Hilfe kommen müsse.
Es wurde unter anderem ebenfalls beschlossen, dass die Chefs der nationalen Bankenaufsichten sich ab sofort jeden Monat zu einem Informationsaustausch treffen sollten. Damit sei die Frage der Schaffung einer zentralen europäischen Bankenaufsicht, die Luxemburg eher mit einem kritischen Auge betrachtet, noch nicht vom Tisch. „Ich schließe nicht aus, dass es diese zentrale Einrichtung eines Tages geben wird“, sagte Jucker. Doch würde er derzeit die nun vereinbarte Form des Informationsaustausches zwischen den nationalen Bankenaufsichten bevorzugen.
Der luxemburgische Premier meinte jedoch, dass man sich nicht nur auf die Finanzwelt konzentrieren dürfe, sondern auch die reale Wirtschaft im Blick haben müsse.
Insbesondere die europäische Automobilindustrie, die gegenüber der von der US-Regierung „massiv“ unterstützten Konkurrenz in Übersee keinen Wettbewerbsnachteil haben dürfe.
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso meinte dazu, dass die europäische Autoindustrie nicht nur aus Wettbewerbsgründen unterstützt werden müsse, sondern auch damit sie jene Innovationen herbeiführen könne, die wegen der im Energie- und Klimapaket vorgegebenen Ziele erreicht werden müssen. Die EU-Staats- und Regierungschefs haben denn auch gestern beschlossen, dass diese Ziele die gleichen bleiben müssten und dass auch der gesteckte Zeitrahmen für eine Übereinkunft über das Klimaschutzpaket beibehalten werde. Die EU würde an „Glaubwürdigkeit“ verlieren, wenn sie jetzt den Zeitpunkt für eine Einigung über den kommenden Dezember hinaus verschieben würde, sagte Juncker weiter.

Umsetzungdes Klimapakets

Bei der Ausarbeitung der Einigung sollte die jeweilige spezifische Situation der einzelnen EU-Mitgliedstaaten berücksichtigt werden. Was vor allem den osteuropäischen EU-Staaten entgegenkommt, die dennoch „Schwierigkeiten haben werden, im Dezember zu unterzeichnen“, so der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn. Er meinte, dass die Referenzperiode, auf der die Reduzierungen der Treibhausgas-Emissionen berechnet werden, das Jahr 2005 bleiben müsse und nicht, wie eben von EU-Ländern Osteuropas gefordert, das Jahr 1990, als auch dort noch weitaus mehr CO2 emittiert wurde. „Wenn wir das Jahr 2005 als Referenz in Frage stellen, dann kippt das ganze Paket“, warnte Asselborn. Aus luxemburgischer Sicht sei insgesamt das hohe Maß an Flexibilität bei der Umsetzung des Klimapakets zu begrüßen.
In ihren „Leitvorgaben“ für die weiteren Verhandlungen hat der EU-Ratsvorsitz denn auch vorgesehen, dass den EU-Staaten nicht nur zugestanden wird, „Emissionsrechte untereinander zu handeln“. Auch „der Handel mit Emissionsgutschriften muss (…) zwischen den Mitgliedstaaten möglich sein“, heißt es in einem Papier des Ratsvorsitzes. Wodurch etwa die Beteiligung im EU-Ausland an Projekten, die zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes beitragen, angerechnet werden könne.
Bestätigt wurde gestern noch einmal die Erwartung des Rates, dass der irische Regierungschef beim nächsten Gipfeltreffen im Dezember einen Fahrplan vorlegen wird, der einen „exakten Kalender“ dazu enthalten müsste, wie Irland in Sachen Ratifizierung des Lissabonner Vertrages vorzugehen gedenke und ob es zu einem zweiten Referendum kommt, sagte Juncker weiter und meinte: „Die Iren wissen, dass sie im Dezember singen müssen.“

 Asselborn: Der Staat muss in der Lage sein, zu helfen

„Vor drei Monaten wäre noch als politischer Neandertaler hingestellt worden, wer staatliche Garantien für oder Beteiligungen an Banken gefordert hätte“, sagte der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn gestern, der am Vortag an einem Treffen sozialistischer Regierungs- und Vize-Regierungschefs teilgenommen hatte.
Es sei wichtig, dass dem Staat die geeigneten Mittel und Möglichkeiten zur Verfügung stünden, um in solchen Krisen eingreifen zu können. Daher müssten die finanziellen Voraussetzungen gegeben und die Budgets im Gleichgewicht sein, wenn „politisch reagiert“ werden soll, so Asselborn weiter.
Um zu vermeiden, dass sich die gegenwärtige Finanzkrise negativ auf die Beschäftigung und die Investitionen niederschlage, müsse nun wieder Vertrauen hergestellt werden.
Der Neoliberalismus sei zu Fall gekommen und selbst „in den USA würde vieles den Bach hinunter gehen, wenn es keine staatliche Unterstützung gäbe“. „Dabei war es vorher nicht möglich, darüber zu diskutieren, dass die Wirtschaft in den USA den falschen Weg eingeschlagen hat“, so Asselborn weiter. gk