Frankreich: CGT verliert Spitzenplatz

Frankreich: CGT verliert Spitzenplatz
(Alain Rischard/editpress)

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Bei den Sozialwahlen in der französischen Privatwirtschaft gab es eine Revolution. Die radikale Gewerkschaft CGT rangiert hinter der Reformgewerkschaft CFDT nur noch auf Platz zwei.

Der Chef der radikalen Gewerkschaft CGT verkündete das Resultat – und damit seine Niederlage – selbst. Bei der aus der katholischen Gewerkschaftsbewegung entstandenen Reformgewerkschaft CFDT reichte ein Tweet: „Das ist historisch“.

Historisch ist die Umkehr der Mehrheitsverhältnisse im französischen Gewerkschaftswesen. Am Ende der Periode der Sozialwahlen in Frankreich löst die Reformgewerkschaft CFDT die radikale CGT in der den Unternehmen der Privatwirtschaft an der Spitze ab. Die CFDT liegt mit 26,37 Prozent vorne, die CGT kommt nur noch auf 24,85 Prozent der Stimmen bei einer „ordentlichen“ Wahlbeteiligung von 43 Prozent. Die CGT verliert bei einer von 5,4 Millionen auf 5,6 Millionen angestiegenen Stimmenabgabe 53.000 Stimmen. Insgesamt verliert die CGT 1,92 Prozent der Wählerstimmen. Philippe Martinez zeigte sich als schlechter Verlierer. Bei insgesamt 500.000 Arbeitnehmern habe die CGT nicht gewählt werden können, weil es dort keine CGT Liste gegeben habe im Gegensatz zu einer CFDT Liste, erklärte er.

Quittung für die Radikalisierung

CGT Chef Martinez verweist bei seiner Analyse weiter darauf, dass die CGT bei den kleinen Unternehmen immer noch die stärkste Gewerkschaft sei. Das hilft ihm nicht. Denn die Gewerkschaften der Angestellten legten ebenfalls zu. Selbst mit Unterstützung der den Sozialisten nahestehenden Gewerkschaft Force Ouvrière (FO), die 0,5 Prozent verliert und auf noch 15,59 Prozent kommt, kann die CGT keine 50 Prozent mehr erreichen. Sie ist in die Minderheit geraten.

CGT und FO handelten sich bei den Sozialwahlen im privaten Sektor in Frankreich eine Quittung für ihre Radikalisierung des vergangenen Jahres ein. Sie hatten bei Demonstrationen gegen das neue Arbeitsrecht Paris und andere Städte an 14 Tagen gezielt lahm gelegt. Hinzu kamen Streiks bei Raffinerien oder Müllabfuhren.

Gewinn für die Reformstrategie

CFDT und die Angestellten Gewerkschaften hingegen nahmen Einfluss auf das neue Gesetz und veränderten es in wesentlichen Punkten. CGT und FO hingegen verlangten schlicht und einfach den Rückzug des Gesetzes selbst dann noch, als es in der Nationalversammlung bereits beschlossen war. Die Auseinandersetzung im vergangenen Jahr war auch eine Auseinandersetzung zwischen zwei Gewerkschaftsführern. Laurent Berger, Chef der reformwilligen CFDT wurde nicht müde, über Tage hinweg in allen Medien Frankreichs Sinn und Zweck des Gesetzes zu begründen. Philippe Martinez wählte den radikalen Weg für die CGT, in der Hoffnung, bei den Sozialwahlen so Stimmen zu sammeln. Am Ende gewann Berger mit seiner Reformstrategie.

Die CGT hat über den privaten Wirtschaftsbereich hinaus ein grundsätzliches Problem. Noch ist sie führend bei den Staatsunternehmen und den Beamten, wie etwa Orange, die Eisenbahn SNCF oder das Stromunternehmen EDF. Aber auch dort sinkt ihr Stimmenanteil. Der Grund: Die Regierungen lassen sich durch Streiks nicht mehr erpressen. Unter Staatspräsident Sarkozy ist für den öffentlichen Dienst ein Not-Dienst eingerichtet worden. Züge fahren auch dann, wenn bei der SNCF oder der Metro in Paris gestreikt wird.

Streikbereitschaft in Frankreich sinkt

Hinzu kommt, dass die Streikbereitschaft in Frankreich sinkt. „Die Zahl der Streiktage ist seit 1970 in Frankreich um das Zehnfache gesunken“, sagt der Direktor des Forschungsinstitutes für Arbeit, Bernard Vivier. Auch die Beteiligung an den Demonstrationen in Paris im vergangenen Jahr lag erheblich tiefer als bei den Demonstrationen gegen die Rentenreform im Jahre 2010. Im vergangenen Jahr demonstrierten 400.000, vor sieben Jahren waren es 1,2 Millionen.

Das Ergebnis der Sozialwahlen stellt die CGT vor erhebliche Probleme. Die CFDT kann nun Abkommen mit der Regierung und den Arbeitgebern unterzeichnen, die auf nationaler Ebene Gültigkeit erlangen. Die Konfliktstrategien werden Verhandlungsstrategien weichen und die soziale Landschaft verändern. Allerdings bleibt abzuwarten, wie sich die soziale Landschaft entwickelt. Präsidentschaftskandidat Emmanuel Macron hat bereits angekündigt, dass er die Arbeitslosenversicherung aus den Händen der Arbeitgeber und der Gewerkschaften herausnehmen und in staatliche Verantwortung führen will, wenn er Präsident werden sollte. Hier haben die Sozialpartner 37 Milliarden Euro Schulden aufgehäuft.