François Fillon, der Unbeirrbare

François Fillon, der Unbeirrbare
(Reuters/Pascal Rossignol)

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Er ist der Spitzenkandidat der Republikaner. Ihm stand eine staufreie Autobahn auf dem Weg zur französischen Präsidentschaft zur Verfügung. Er vermasselte es.

Eigentlich wollten François Fillon und der Bürgermeister von Bordeaux, Alain Juppé, die Schule 42 von Xavier Niel besuchen. Der ist ein Medien-Tycoon in Frankreich und hat Schulen aufgebaut, in denen man Informatik lernt. Allerdings hatten sich die Computer-Lehrlinge ausgedacht, dass auf allen Bildschirmen das Bild von Frau Fillon zu sehen sein sollte. Vorgewarnt, gingen Fillon und Juppé zur Firma Deezer, einem internationalen Musik-Streaming-Dienst. Aber auch dort tauchten auf den Bildschirmen Bemerkungen auf wie „Gib uns das Geld zurück“.

François Fillon muss sich in seinem Wahlkampf mit einem Fehler auseinandersetzen, der ihn vermutlich die Präsidentschaft kosten wird. Kandidaten für Spitzenämter gehen in der Regel mit den engsten Mitarbeitern und mit ihren Kommunikationsfachleuten vor dem Wahlkampf in ein „Beichtstuhlgespräch“. Hier wird schonungslos jede mögliche Schwäche aufgearbeitet. Stab und Kommunikationsfachleute entwickeln Strategien für jeden Fall und arbeiten den Kandidaten in die Strategien ein.

„Gib uns das Geld zurück“

François Fillon ist in seiner Freizeit Rennfahrer. Er fährt 24-Stunden-Rennen. So wie er alleine im Rennwagen sitzt macht er Politik. Fillon gilt als jemand, der an der Grenze zur Beratungsresistenz agiert und sich gerne einkapselt. Fillon hatte völlig überraschend die Kandidatenvorwahl der konservativen Republikaner gewonnen, hatte den Bürgermeister von Bordeaux, Alain Juppé, vom Siegerpodest gestoßen. Das war Ende vergangenen Jahres. Danach organisierte er die Partei, deren Chef er mit dem Sieg in der Kandidatenvorwahl automatisch geworden war. Typisch für konservative Parteien war die Haltung der Politiker. Alle Blöcke schlossen sich hinter Fillon zusammen, um das eine Ziel zu erreichen: Fillon sollte Präsident werden und den amtierenden Staatspräsidenten François Hollande ablösen.

„Le canard enchainé“

Übersehen wurde dabei ein Warnzeichen : Die satirische Wochenzeitung Le canard enchainé hatte einen ersten Artikel über das Auftreten von Fillon als Redner und seine Honorare geschrieben. Im Lager von Fillon war das Warnzeichen nicht bemerkt worden mangels Sensibilisierung. Die Satiriker legten nach, schrieben über Penelope Fillon als parlamentarische Assistentin ihres Mannes, über ihre Arbeit als freie Mitarbeiterin eines Verlages, über die Assistenz der Kinder für den Vater mit fürstlichen Gehältern aus der Kasse der Nationalversammlung. Nun üben solche Praktiken derzeit immer noch über 100 Abgeordnete der Nationalversammlung. Das ist auch legal. Bei François und Penelope Fillon aber wurde unterstellt, dass es sich um fiktive Beschäftigungen handelte. „Penelopegate“ hieß das neue Schlagwort in Frankreich.

François Fillon konnte damit nicht umgehen, beschuldigte Presse und Justiz einer Kampagne. Der Saubermann, als der er sich in der Wahlkampagne vorgestellt hatte, stand arg beschmutzt da. Wo immer er für seinen Wahlkampf auftrat, standen Frauen mit Kasserolen und Kochlöffeln und lieferten ihm ein „Topfkonzert“. Seine Umfragewerte sackten ab, zeitweise wurde er von dem Trotzkisten Jean-Luc Mélenchon überholt. Derzeit ist er mit 18 Prozent der Wählerneigung wieder Nummer drei hinter Emmanuel Macron (24 Prozent) und Marine Le Pen (21 Prozent). Fillon redet nicht mehr über die Skandale, zu denen auch gehört, dass er sich zwei Anzüge für 13.000 Euro schenken ließ.

Alain Juppé, „Fillon-Ersatz“

Schlimmer sind die Auswirkungen für seine Partei. Die verschiedenen Blöcke, die sich zunächst hinter ihm versammelt hatten, brachen wieder auseinander. Alain Juppé wurde als Fillon Ersatz ins Spiel gebracht. Auch Nicolas Sarkozy, der die Vorwahl verloren hatte, wurde wieder genannt. Die Republikaner demontierten ihre Spitzenkandidaten, von dem sogar Getreue absprangen. Sarkozy positionierte seinen Kreis, Juppé brachte seinerseits seine Mitstreiter ins Gespräch. Die Republikaner zeigten sich zerstritten in ihre Lager wie eh und je.

Francçois Fillon, der Rennfahrer, zeigte sich unbeirrbar und stur. Er sei der Spitzenkandidat, sei gewählt und setzte sich auch durch. Fillon steht am Sonntag zur Wahl für die Republikaner. Er schleppt dabei ein Ermittlungsverfahren gegen sich und seine Frau mit sich herum sowie einen Untersuchungsrichter, der die Ermittlungen leitet. Sollte Fillon gegen alle Vorhersagen zum Staatspräsidenten gewählt werden, hat er diese Probleme: Er hat das Wirtschafts- und Sozialprogramm mit den schärfsten Einschnitten und wird sich vorhalten lassen müssen, dass er sich bedient hat, wo er andere zu Einschnitten zwingt. Sein Ermittlungsverfahren ruht für die Dauer der Präsidentschaft. Aber gegen seine Frau wird weiter ermittelt. Da sie über keine Immunität verfügt, könnte sie möglicherweise sogar während der Amtszeit ihres Mannes vor Gericht gestellt werden, wenn sich die Vorwürfe gegen sie bewahrheiten. Die Unbeirrbarkeit ihres Mannes würde dann eine Staatskrise hervorrufen.

Andersherum werden die Republikaner einen Schock zu verkraften haben, wenn ihr Spitzenkandidat sich nicht für die Stichwahl qualifiziert. Die Auseinandersetzungen zwischen den drei Blöcken in der Partei sind programmiert. Da die Sozialisten mit ihrem Kandidaten keine Chance haben, würde keine der beiden traditionellen staatstragenden Parteien den Präsidenten stellen. Die Präsidentenwahl 2017 in Frankreich entwickelt sich zu einer Frage nach dem zukünftigen Parteiensystem.