„Deswegen wird es keine Entscheidung über Vertragsänderungen geben.“ Genau das war aber die zentrale Forderung, mit der Merkel zum Gipfel gereist war. Stattdessen solle nun EU-Ratschef Herman Van Rompuy beauftragt werden, bis zum Dezember einen konkreten Vorschlag für einen dauerhaften Rettungsschirm mit Gläubigerbeteiligung vorzulegen, sagte der Gewährsmann.
Erst dann könne die Entscheidung zu Vertragsänderungen fallen. Ob sich Berlin darauf einlassen würde, blieb zunächst ungewiss. Am Mittwoch hatte die Kanzlerin vor dem Bundestag gedroht, ohne Mandat die Reform des Stabilitätspaktes zu blockieren. Beides sei ein „Paket“. Van Rompuy müsse auf dem Gipfel ein „präzises Mandat“ für die „erforderlichen Änderungen“ erteilt bekommen, sagte die Kanzlerin.
Dies ist aus Sicht der Bundesregierung notwendig, um einen künftigen Rettungsmechanismus, der die bis 2013 befristeten Schutzschirme für Griechenland und den Euro-Raum ablösen muss, verfassungsrechtlich wasserdicht zu machen. Darüber hinaus pocht Merkel auf eine Beteiligung privater Gläubiger. „Wir brauchen einen Mechanismus, der auch Banken und Fonds einbezieht, die an den hohen Zinsen verdienen“, sagte sie auf dem Gipfel.
Hartnäckige Schuldensünder „rütteln an den Grundwerten der Union“
Trotz massiven Widerstandes warb Merkel weiter für einen Stimmrechtsentzug für den Fall, dass Regierungen auch mit harten finanziellen Sanktionen nicht zum Sparen gebracht werden können. Es gebe im Lissabon-Vertrag dazu bereits die Möglichkeit, wenn ein Land gegen die Grundwerte der EU verstoße, sagte sie.
„Eine Politik, die den Euro als Ganzes in Gefahr bringt, ist auch eine Politik, die an den Grundwerten der Union rüttelt.“ EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso attackierte Merkel direkt. Stimmrechtskürzungen für Defizitsünder seien „inakzeptabel und nicht realistisch“, sagte er. Für eine derartige Vertragsänderung wäre eine Einstimmigkeit der Staaten erforderlich. Die Kommission schlage daher vor, andere Wege zu suchen.
Auch der österreichische Vizekanzler Josef Pröll äußerte große Bedenken: „Wir sehen das sehr, sehr kritisch, und es gibt viele Gegenstimmen.“ Er forderte einen Kompromiss, der es ermögliche, dass Defizitsünder „rasch an die Kandare genommen werden können“. Dafür müsse Merkel einer Reform des Stabilitätspaktes zustimmen, die frühere Sanktionen einführen würde. Und dafür müssten Vertragsänderungen so begrenzt werden, dass sie in einem vereinfachten Verfahren – also ohne Referenden – zu erreichen seien.
Ein Stimmrechtsentzug sei ein so schwerwiegender Eingriff in die Kompetenzen der Mitgliedsstaaten, dass er nicht mit einem vereinfachten Verfahren umzusetzen sei. Die Kanzlerin räumte ein, dass der Stimmrechtsentzug ein „sehr kontroverses Thema“ sei. Es wurde daher nicht ausgeschlossen, dass sie in der Nacht zum Freitag in dem Punkt einlenken könnte.
dapd
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