Es schlägt die Stunde der Nationalisten

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Bei den Wahlen in Bulgarien profitierten die Nationalisten von der Krise im ärmsten EU-Land. Die EU-feindliche Ataka sieht sich jetzt als Korrektiv für jede Regierung in Sofia.

„Bulgarien den Bulgaren!“ lautet die beliebteste Parole der nationalistischen Ataka-Partei. Vor den Wahlen am 12. Mai versprach Parteichef Wolen Siderow, Bulgarien vom „kolonialen Joch“ der internationalen Unternehmen zu befreien. Damit zog er auch Wähler unter den Demonstranten an, die mit Straßenprotesten die konservative Regierung unter der heutigen Oppositionspartei GERB-gestürzt hatten. Ataka will jetzt im Parlament die Politik jeder Regierung bestimmen, auch der neuen Regierung von Plamen Orescharski.

„Für Ataka schlägt die Sternstunde“, kommentiert die Soziologin Mira Radewa die Bedeutung der 23 nationalistischen Volksvertreter. Das sieht auch Siderow so: „Das Volk setzte Ataka als Korrektiv ein.“ Sollte das Parlament über „etwas Gutes für Bulgarien“ abstimmen, dann wolle Ataka mit Ja stimmen, wenn nicht – dann eben mit Nein, erläuterte er. Ataka ist seit 2005 im Parlament in Sofia vertreten, seit 2007 auch im EU-Parlament. Ihr Name ist Programm: „Angriff“.

Klein aber entscheident

Die Partei stellt zwar die kleinste Fraktion im bulgarischen Parlament, kann aber für das Quorum und auch für die absolute Mehrheit entscheidend sein. Denn die Sozialisten und die Partei der türkischen Minderheit kommen nur auf genau die Hälfte der 240 Sitze im Parlament. Weil die bisherige Regierungspartei GERB ihre Fundamentalopposition angekündigt hat, hängt alles an Ataka.

„Ataka wird der Alptraum des Parlaments sein“, befürchtet die bekannte Journalistin Dimitrana Aleksandrowa. Von Ataka hänge nun ab, ob Parlament und Regierung arbeiten können. Siderows Partei ist nach Ansicht von Beobachtern inhaltlich flexibel. Mitten in den Protesten gegen hohe Strompreise und die massenhafte Armut, die zum Sturz der Regierung führen, verlagerte Ataka ihren Schwerpunkt vom Hass gegen die Türken, Roma und Juden zur sozialen Misere.

Ausländische Firmen zocken Bulgarien ab

Den ausländischen Unternehmen in Bulgarien wirft Siderow immer wieder vor, das ärmste EU-Land abzuzocken. Daher wolle seine Partei diese Firmen aus Bulgarien „fortjagen“. Dabei handelt es sich neben Supermarktketten wie etwa Billa, Metro, Kaufland, Lidl und Carrefour auch um Tankstellen, Banken und Telekom-Unternehmen. Die regionalen Netze von Stromanbietern aus Österreich und Tschechien sollen aus Atakas Sicht verstaatlicht werden.

Jede Regierung in Bulgarien setzt auf Fördergelder aus Brüssel, um das Land zu modernisieren. Siderow aber zeigt offen, dass er die EU verachtet. Mehr als eine halbe Million bulgarischer Rentner müssten mit umgerechnet 73 Euro im Monat auskommen, schrieb er den EU-Botschaftern auf der Besuchertribüne des Parlaments in Stammbuch. „Kommt ja nicht hierher mit dicken Backen, um uns zu erklären, wie Demokratie gemacht wird“, brüllte Siderow. Nur die Fraktion der Ataka blieb sitzen, als zur Eröffnung des neuen Parlaments die EU-Hymne ertönte.