Samstag8. November 2025

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Droht ein Bankenkollaps?

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Die US-Banken zittern: In diesen Tagen will Wikileaks korrupte Geschäfte einer Grossbank publik machen. Der Skandal könnte das Institut zu Fall bringen.

Schon einmal war eine grosse US-Firma wie ein Kartenhaus zusammengefallen: Im Dezember 2001 wurde dem Energieriesen Enron der Stecker gezogen. Die Pleite entwickelte sich zu einem der grössten Skandale der USA: Jahrelange Bilanzfälschungen, byzantinische Firmengeflechte und fette Boni an Manager, kurz bevor die Firma in den Ruin schlitterte. Am Ende standen 22 000 Personen auf der Strasse, Gläubiger und Aktionäre hatten Milliarden in den Sand gesetzt.
Die Banken fürchten ihn: Wikileaks-Gründer Julien Assange Die Banken fürchten ihn: Wikileaks-Gründer Julien Assange (Bild: Keystone) Bildstrecken Wie tickt Julian Assange? Infografik Die Wikileaks-Affäre

Mit diesem Skandal vergleicht Wikileaks-Gründer Julian Assange die bevorstehenden Enthüllung im Bankensystem. In den ersten Januartagen will Assange eine amerikanische Grossbank bloss stellen, indem er zehntausende Dokumente, die korrupte Geschäfte und unethische Praktiken zeigen, offenlegt. Noch hat niemand einen Namen genannt, doch Hauptverdächtiger ist die Bank of America. Der Grund: Im November erwähnte Assange in einem Interview mit den Wirtschaftsmagazin «Forbes», dass Wikileaks in Besitz einer Festplatte eines Bank-of-Amerika-Manager sei.

„Geld auf sichere Bank bringen“

Bei der Bank of America sorgen die Spekulationen um die Wikileaks-Enthüllungen für Unruhe. Laut einem Bericht der «New York Times» arbeiten 20 Personen seit über einem Monat daran, Hinweise auf gestohlenes Datenmaterial zu finden, denn angeblich besitzt Assange über 200 000 Textseiten, welche die grösste US-Bank belasten könnten. Gegen aussen versucht die Bank of America die Suche nach dem Leck aber als Standardüberprüfung im Risikomanagement zu tarnen. Man rüste sich, um für den Notfall gewappnet zu sein.

Wikileaks hat sich bereits vor der Offenlegung der brisanten Dokumente auf die grösste US-Bank eingeschossen. So fragt die Plattform die Besucher: «Macht Ihr Betrieb Geschäfte mit der Bank of America?» Die Enthüllungsplattform rät, das Geld irgendwo hinzubringen, wo es sicherer ist. Könnte die Offenlegung von Daten die Bank tatsächlich in den Grundfesten erschüttern und die ganze Finanzindustrie in einen Abwärtsstrudel reissen? Die Finanzkrise hat gezeigt, wie sehr die Banken miteinander verstrickt sind.

Schmutzige Spekulationen

Der emeritierte Wirtschaftsprofessor Walter Wittmann vermutet, dass bald alle Welt erfährt, welche schmutzigen Spekulationen die Bank of Amerika tätigte und wo faule Kredite lauerten. «Ist die veröffentlichte Datenmenge sehr brisant, würde der Aktienkurs rapide sinken», vermutet Wittmann. Er befürchtet, dass die Bank dann in Liquiditätsprobleme geraten könnte und andere Institute die Geschäftsbeziehungen zur Bank of America abbrechen würden. Die Folge wäre eine Situation von Misstrauen, wie sie im Herbst 2008, kurz vor der Pleite der US-Investmentbank Lehmann Brothers entstand und das System praktisch illiquid wurde. «Dieses Mal würde die US-Notenbank das System aber mit Geld fluten», beschwichtigt Wittmann.

Weniger dramatisch sieht Bankenprofessor Hans Geiger die bevorstehenden Enthüllungen: «Die Veröffentlichungen werden nur dem Ruf der Bank schaden und sich längerfristig auswirken. Zu einem plötzlichen Schock kommt es aber nicht». Geiger entwarnt: «Wegen Enthüllungen aus der Vergangenheit werden die meisten Leute ihr Geld nicht abziehen». Noch im schlimmsten erdenklichen Fall würde die Bank of America nicht illiquide.

Keine Reaktion der Börse

Entspannt betrachten die Situation um die Bank of America auch (noch) die Märkte: Trotz der angekündigten Enthüllungen hat die Bank-of-America-Aktie seit Anfang Dezember von 11 Dollar auf über 14 Dollar zugelegt. Im Fall Enron, dem Pleite gegangenen US-Energieriesen, mit dem Wikileaks Gründer Assange die Enthülllung verglich, fiel das Papier nach Offenlegung der illegalen Geschäftspraktiken innert 10 Monaten von 90 Dollar auf einige wenige Cent.