Der „Fünf-Milliarden-Euro-Mann“ vor Gericht

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Für den früheren Aktienhändler Jérôme Kerviel beginnt am Dienstag der Prozess seines Lebens. Kerviel wurde bekannt als der "Fünf-Milliarden-Euro-Mann" - soviel kosteten seine Geschäfte Anfang 2008 seinen Arbeitgeber, die französische Bank Société Général. Kerviel drohen wegen Veruntreuung fünf Jahre Haft und eine Geldstrafe von 375.000 Euro. Hinzu kommen möglicherweise fast fünf Milliarden Euro Schadenersatz.

Im Januar 2008 kamen Kerviels riskante Spekulationsgeschäfte ans Licht. Die verschleierten Termingeschäfte des Börsenhändlers wurden entdeckt und abgewickelt.

Das bescherte der Société Général 4,9 Milliarden Euro Verlust. Die wolle die Bank nun auch einklagen, sagte ein Anwalt des Geldinstituts der französischen Wochenzeitung „Journal du Dimanche“. Auch wenn man nicht glaube, dass Kerviel das Geld jemals zurückzahlen könne.

Kerviel ließ seine Verteidigungsstrategie bereits in Medienauftritten und seinem vergangenen Monat erschienenen Buch „L’Engrenage: Memoires d’un Trader“ erkennen.

Darin stellte er sich als einfacher Mann dar, der mitgerissen wurde, als ein Sündenbock der Bank, als ein Opfer eines außer Rand und Band geratenen Banksystems.

Französischer Anti-Held

Seine Vorgesetzten hätten über seine riskanten Geschäfte schon länger Bescheid gewusst, aber nichts dagegen unternommen, so lange er Geld für die Bank verdient habe, erklärte er seit seiner Verhaftung immer wieder. Die Bank dementierte dies.

Mit seiner Verteidigungsstrategie wurde der 33-jährige Sohn eines Metallarbeiters und einer Friseurin zu einer Art Anti-Held in Frankreich. Kerviel, der in der Provinz aufwuchs, hat nicht die übliche elitäre Ausbildung genossen, die sonst für solche Händlerposten Voraussetzung ist. Trotzdem schaffte er es, ein Schwergewicht der Bankenwelt vorzuführen und dessen schwache Kontrollmechanismen offen zu legen.

Kein persönlicher Gewinn

Das Urteil wird für frühestens Ende Juni erwartet. Im Prozess soll unter anderem die Frage geklärt werden, wie Kerviel es schaffte, seine riskanten Geschäfte so lange zu verschleiern und warum seine Vorgesetzten Warnsignale missachteten.

Darüber hinaus erhoffen sich Beobachter mehr über die Gründe für Kerviels Taten zu erfahren, denn einen größeren persönlichen Gewinn zog er nicht aus seinen riskanten Geschäften.

(apn/tageblatt.lu)