Nach Schätzungen der Menschenrechtsorganisation Amnesty International vom Mittwoch dürfen mehr als 200 Personen nicht ins Ausland reisen, stehen unter Hausarrest oder wurden festgenommen. Auch die Frau des inhaftierten Preisträgers Liu Xiaobo darf nicht zur Feier am Freitag nach Oslo reisen. Die Regierung wirft Liu Anstiftung zum Umsturz vor und hat eine Haftstrafe von elf Jahren verhängt.
Es ist das erste Mal seit 1935, dass weder der Preisträger noch einer seiner Vertreter die Auszeichnung entgegennehmen können. Damals wurde dem Pazifisten Carl von Ossietzky von den Nazis verboten, nach Norwegen zu reisen. Das Reiseverbot in China betrifft nach Reuters-Recherchen auch Angehörige von weitgehend unbekannten Dissidenten.
China ruft Alternativ-Preis ins Leben
In China wurde zum Zeichen der Verstimmung über die Auszeichnung des Dissidenten eine alternative Auszeichnung ins Leben gerufen. Der sogenannte Konfuzius-Friedenspreis soll in Peking am Donnerstag und damit einen Tag vor der Zeremonie in Oslo an den früheren taiwanischen Vizepräsidenten Lien Chan vergeben werden. Die Veranstalter sprachen in einer per E-Mail verbreiteten Erklärung von einer friedlichen Antwort auf den Nobelpreis. Die neue Auszeichnung zeige die Einstellung des chinesischen Volkes zum Frieden. Wer genau hinter der Auszeichnung steht, war unklar. Offenbar kam die Einladung zur Auszeichnung aus einer Fachgruppe des Kulturministerium, was auf eine gewisse Rückendeckung durch die Regierung hindeutet. Allerdings erklärte ein Vertreter des Ministeriums, darüber nichts zu wissen. Auch der Ausgezeichnete selbst wusste offenbar von nichts. Der Bürochef Liens erklärte, er kenne den Preis nicht und könne deswegen keinen Kommentar abgeben.
Die Organisatoren begründeten die Vergabe an Lien mit seinem Engagement für die friedlichen Beziehungen zwischen der Volksrepublik und Taiwan. Die Regierung in Peking sieht die Insel auch Jahrzehnte nach der Teilung als abtrünnige Region. Neben Lien waren auch Microsoft-Gründer Bill Gates, die Friedensnobelpreis-Gewinner Mahmud Abbas und Nelson Mandela, ein von China ernannter tibetischer Geistlicher sowie der Dichter Qiao Damo nominiert.
Die Wahl Lius zum diesjährigen Friedensnobelpreisträger hatte bei China tiefe Empörung ausgelöst. Die Regierung hat Druck auf ausländische Diplomaten ausgeübt, nicht an der Zeremonie am Freitagmittag im Rathaus der norwegischen Hauptstadt teilzunehmen.
Reuters
De Maart

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