Ausstellung zu Breivik-Anschlägen

Ausstellung zu Breivik-Anschlägen
(AFP/Fredrik Varfjell)

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Vor vier Jahren tötete Anders Behring Breivik 77 Menschen. Jetzt dokumentiert eine Ausstellung in Oslo die Ereignisse. Es ist eine emotionale Zeitreise - nicht nur für Betroffene.

In dem kahlen, abgedunkelten Raum, der einmal der Empfang für das Büro des norwegischen Ministerpräsidenten war, flackert ein Film auf einer Leinwand. Er stammt aus einer Überwachungskamera und zeigt, wie der Terrorist Anders Behring Breivik am 22. Juli 2011 um 15:17 Uhr einen weißen Lieferwagen vor dem Eingang des Ministeriums parkt und sich entfernt. Sieben Minuten später explodiert das Auto in einer orangefarbenen Feuerwolke. Dann sieht man nur noch Rauch. Staub. Tausende Papierfetzen, die durch die Luft wirbeln.

Diese Explosion, die acht Menschen tötet, ereignete sich nur wenige Meter von der Leinwand entfernt. Und ihre zerstörerische Macht ist immer noch zu spüren. Die Betonwände sind kahl, die Decke muss mit Pfosten gestützt werden. Rund herum ist Baustelle, denn nach den Anschlägen werden nun drei Ministerialgebäude abgerissen.

Viele Touristen unter den Besuchern

Trotz des Chaos wurde mittendrin, in der ehemaligen Kantine des Hochhauses, zum vierten Jahrestag der Anschläge eine Dauerausstellung eröffnet. „Wir wollen in erster Linie ein Lernzentrum für Schulklassen sein“, erklärt Mats Ravik Jupskås, der die Ausstellung mitbetreut. Doch noch sind Ferien und unter den Besuchern, die am Eingang Schlange stehen, sind viele Touristen.

Schon der Ort jagt vielen eine Gänsehaut ein, die Ausstellung erst recht. Eine 17 Meter lange Zeitleiste mit Bildern, Nachrichtensplittern und Twitter-Meldungen dokumentiert die Stunden vom ersten Anschlag im Osloer Regierungsviertel bis zur Festnahme Breiviks auf der Insel Utøya, wo er 69 Menschen kaltblütig umgebracht hatte. In einem Raum sind Bilder der Opfer zu sehen. Porträts von Menschen im Sonnenlicht, die meisten lächeln, darunter Namen und Alter: 17 Jahre, 16 Jahre, 18 Jahre. Die meisten Opfer auf Utøya waren Jugendliche.

Der Reste des Bombenautos

Mittendrin in der großen Halle sind die Überreste des Bombenautos auf Paletten platziert. Nur mit viel Fantasie kann man die Achse des Wagens erkennen. Ein Zettel mit einer Nummer erinnert daran, dass es sich um ein Beweisstück aus dem Archiv der Polizei handelt.

Vor einem elf Meter breiten Bild der Insel Utøya steht ein Schaukasten mit Handys und Kameras. „Die haben den Jugendlichen auf Utøya gehört“, erklärt Mats. „Die Polizisten, die bei der Rettungsaktion dabei waren, haben erzählt, dass es schrecklich war, neben den Toten die ständig klingelnden Handys zu hören.“

Ergreifende Filme

Für die 28-jährige Christianie Sørmann sind die Filme mit den Augenzeugeninterviews am ergreifendsten, die in der ehemaligen Küche der Kantine gezeigt werden. In einem Clip führt ein Überlebender über die Insel und erzählt, wie er sich mit anderen vor Breivik versteckt hatte und zusehen musste, wie seine Kameraden erschossen wurden, wie er später über Tote stieg und nach Überlebenden suchte und schließlich mit seinen Kleidungsstücken ihre Wunden verband. „Das war für mich das Bedrückendste“, sagt Christianie.

Ein älteres Ehepaar aus Bergen kommt sichtbar mitgenommen aus der Ausstellung. „Ich bin jetzt nur noch wütender“, sagt die Frau, die ihren Namen nicht nennen will. „Das Kind meiner Cousine ist auf Utøya umgekommen.“ Trotzdem wollte sie die Ausstellung sehen. „Ich wollte einfach mehr Details erfahren, als im Fernsehen zu sehen waren.“

Seit Eröffnung der Ausstellung – am 22. Juli – waren mehr als 10 000 Menschen dort. „Die Reaktionen der Besucher sind sehr gut und zeigen, dass das Center richtig und wichtig ist, auch wenn die Ausstellung schmerzhaft und anspruchsvoll ist“, sagt Kommunalminister Jan Tore Sanner zum 22.-Juli-Center. Zuvor hatte es Bedenken gegeben, es könnte ein zu großer Fokus auf dem inhaftierten Attentäter liegen. Doch die Kritiker sind schnell verstummt. Auch Christianie hält die Mischung für sehr gelungen: „Es sind die Opfer, die hier im Mittelpunkt stehen, ‚er‘ ist nur ein Teil der Geschichte.“

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