Dienstag28. Oktober 2025

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Auf keinen Fall eine Trennung, aber mehr Autonomie

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Unabhängig voneinander haben die beiden franko phonen Tageszeitungen „Le Soir“ und „La Libre Belgique“ Umfragen über die Zukunfts erwartungen der Brüsseler und Wallonen nach einem Auseinanderfallen des Königreichs durchführen lassen. Mit einem für manche überraschenden Ergebnis.

Von unserem Korrespondenten Joseph Lehnen

Die Ergebnisse der Meinungsumfragen von Dedicated Research und Ipsos sind erstaunlich: Wallonen und Brüsseler sind zunächst für ein geeintes Belgien.
Aber im Falle einer Teilung würde die Mehrheit der Wallonen eine Föderation mit Brüssel anstreben, während die Hauptstädter eher ihre Unabhängigkeit wollen. Ein Brüssel nach dem Vorbild von Washington D.C. wäre die zweitbeste Lösung.

So ziemlich alle Wallonen wollen ein weiterhin geeintes Belgien, über die Hälfte der Frankophonen sehnt sich sogar nach dem unitaristischen Belgien zurück, so, wie es vor der allerersten Staatsreform war. Sollte Belgien dennoch auseinanderfallen, sind nur zehn Prozent der Wallonen für ein unabhängiges Wallonien. 53 bzw. 63 Prozent, je nach Umfrage, wollen eine Föderation Wallonie-Brüssel. Einen Anschluss an Frankreich können sich immerhin 21 Prozent Wallonen vorstellen.

Deutliche Grundströmung

Anders sieht das Ergebnis der Umfrage unter den Einwohnern Brüssels aus. Die Brüsseler wünschen sich bei einem Auseinanderbrechen Belgiens zu 34 Prozent einen unabhängigen Stadtstaat. Brüssel als integrierter Teil Flanderns kommt für fast keinen französischsprachigen Brüsseler infrage. Soweit das Ergebnis der Umfrage von La Libre Belgique, die titelte: „Jeder zweite Frankophone ist für die Einheit Belgiens.“

Und in dem Kommentar zu den Umfrageergebnissen heißt es: „Es wird deutlich, dass Flamen, Wallonen und Brüsseler unterschiedliche Zukunftsauffassungen haben. Die Hälfte der Französischsprachigen wünscht sich eine Rückkehr zum Belgien vor den Staatsreformen.

Das kann sich aber nur noch ein Fünftel der Flamen vorstellen. Die Belgier haben zwar andere Vorstellungen von der Zukunft des Landes, sie sind sich aber einig, dass jetzt eine vernünftige und ausgeglichene Lösung für alle Belgier gefunden werden muss. Sie wollen sich nicht auf ein institutionelles Abenteuer mit kaum kalkulierbaren Risiken einlassen.“

Die Ergebnisse von Meinungsumfragen und deren Interpretationen können unterschiedlich sein, davon zeugen auch die Umfrage von Dedicated Research und der Kommentar von Le Soir, aber die Grundströmung ist deutlich.

Auch Le Soir brachte am vergangenen Samstag die Ergebnisse einer Meinungsumfrage. Für die Zeitung sitzen Wallonen und Brüsseler im gleichen Boot, aber die Brüsseler sind eher gegen eine gemeinsame Zukunft, die Wallonen aber dafür.

Für die Hauptstädter bietet die Föderation Wallonie-Brüssel keine Zukunftsperspektive, falls Belgien auseinanderbrechen sollte. Sie wollen lieber auf eigenen Beinen stehen, notfalls aber auch ein Europäischer Distrikt werden. Für die Leitartiklerin und Chefredakteurin der Zeitung, Béatrice Delvaux, steht fest, dass sich die Frankophonen vor allem als Belgier sehen. Und daher werde es nicht leichtfallen, eine eigene frankophone Identität zu schaffen. In Flandern befasste man sich am Wochenende mit diesen Umfrageergebnissen und kam erstaunt zu der Feststellung, dass Flamen und Wallonen kein unzertrennliches Paar bilden.

Walloniens Liebe wird nicht erwidert

Die Liebe der Wallonen für die Brüsseler werde nicht erwidert, stellten Beobachter fest. Für den, der Brüssel und seine Bewohner kennt, kommt dies nicht überraschend. Die Brüsseler waren und sind eigen. Man halte sich nur Manneken Pis vor Augen. Manneken Pis symbolisiert die Freiheitsliebe und den Widerspruchsgeist der Brüsseler.
Der Brüsseler versteht sich als ein Original und der kleine Julien, oder Juliaenke, wie Manneken Pis im mittelalterlichen Brüsseler Dialekt heißt, ist unverschämt, waghalsig, fast hintertrieben, mutig, listig, revoltierend, flegelhaft und ungebeugt. Auf Unterdrücker und Diktatoren pinkelt er ohne Scham hinab. Und so will die Mehrheit der Brüsseler frei sein. Die Mehrheit will nicht zur Wallonie gehören, bestimmt nicht zu Frankreich (acht Prozent) und ganz bestimmt nicht zu Flandern (nur zwei Prozent).

Brüssel war mal eine flämische Stadt, aber heute haben die Brüsseler einen frankophonen Hintergrund. Gemeinsam haben Wallonien und Brüssel nur die Liebe zu Belgien. Insgesamt nur fünf Prozent wollen die Scheidung, aber nur die Hälfte glaubt weiter fest an eine neue föderale Regierung. Und übrigens will laut Umfragen auch nur ein Sechstel der Flamen die Trennung.

Sollten die Belgier vorzeitig wählen müssen, würde die frankophone Sozialistische Partei wiederum der Gewinner der Wahl. In Brüssel würde die PS den Liberalen endgültig den Rang ablaufen. Auch das geht aus den beiden Umfragen hervor.