Von unserem Redakteur Guy Kemp, Brüssel
Angesichts der Gegenwehr, die sich in den Tagen vor dem Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs – unter kräftiger Mitwirkung luxemburgischer Akteure – aufgebaut hatte, hatten die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy einen schweren Stand bei den abendlichen Diskussionen über eine Verschärfung der Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Wenn auch in einzelnen Punkten Entgegenkommen signalisiert wurde.
Was allerdings von der überwiegenden Mehrheit der Gipfelteilnehmern ausgeschlossen wurde, war zum einen die Forderung Merkels, jenen Euro-Staaten das Stimmrecht im Ministerrat zu entziehen, die sich nicht an die Stabilitätskriterien halten würden.
Also beim Haushaltsdefizit die Drei-Prozent- und den Staatsschulden die 60-Prozent-Marke überschreiten. Dies würde unweigerlich zu einer substanziellen Änderung des nicht einmal vor einem Jahr in Kraft getretenen Lissabonner Vertrags bedeuten. Was ebenfalls von einer Mehrheit ausgeschlossen wird.
Dennoch meinte die deutsche Kanzlerin bei ihrem Eintreffen im Ratsgebäude, dass über „das sehr kontroverse Thema“ des Stimmenentzugs in der Runde geredet werde. Immerhin sei ein solcher Entzug bereits jetzt möglich, wenn ein EU-Staat die Grundwerte der EU nicht einhalte.
Van Rompuy soll Vorschlag machen
„Ich werde hier deutlich machen, dass aus meiner Sicht eine Politik, die den Euro als Ganzes in Gefahr bringt, die unsere Wirtschafts- und Währungsunion in Gefahr bringt, auch eine Politik ist, die an den Grundwerten der Europäischen Union rüttelt“, sagte Merkel.
Zunehmenden Zuspruch gab es am Donnerstag Abend allerdings für eine kleine Vertragsänderung. Damit sollte der während der Griechenland-Krise eingerichtete Euro-Rettungsmechanismus auch über das Jahr 2013 hinaus aufrecht erhalten werden können.
Hier hatten Angela Merkel und Nicolas Sarkozy vorgeschlagen, auch Banken und Fonds mit einzubeziehen, die im Notfall ebenfalls zur Kasse gebeten werden sollten. Immerhin würden die Banken und Fonds an den zusätzlichen Zinsen verdienen, die ins Straucheln geratene Euro-Staaten als Risikoauflage zu zahlen hätten, meinte Merkel am Donnerstag weiter.
Offenbar lief es am Abend bei den Gesprächen der 27 darauf hinaus, Herman Van Rompuy den Auftrag zu erteilen, bis zum EU-Gipfel im Dezember einen Vorschlag für eine Weiterführung des Rettungsmechanismus mit Gläubigerbeteiligung vorzulegen. Erst dann sollte auch eine Vertragsänderung in Auge gefasst werden. Aber nur eine leichte.
Der insgesamt 750 Milliarden Euro schwere Rettungsmechanismus hat derzeit nur eine Laufzeit von drei Jahren. Die deutsche Regierung will dieses System weiter aufrecht erhalten, verlangt aber dafür eine Vertragsänderung, da der Rettungsmechanismus ansonsten einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht nicht standhalten würde.
Auch der luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker hat im Prinzip nichts gegen ein derartiges Vorgehen einzuwenden, lehnte jedoch einen Stimmrechtsentzug entschieden ab.
Über eine weitere aus dem deutsch-französischen Treffen im Badeort Deauville hervorgegangene Forderung war indes kaum mehr etwas zu hören. Denn Merkel kam in Nordfrankreich dem Wunsch Sarkozys entgegen, das Vorhaben der EU-Kommission von automatischen Sanktionen für Staaten, die gegen die Stabilitätskriterien verstoßen, zu kippen.
Bericht der Task Force angenommen
Angenommen haben die 27 allerdings, laut Agenturmeldungen, den definitiven Bericht der unter Leitung von Herman Van Rompuy stehenden Task Force der EU-Finanzminister über die wirtschaftliche Steuerung der EU und eine Verschärfung der Regeln des Stabilitätspaktes. Vor einigen Wochen hatte die EU-Kommission bereits ihren Gesetzesvorschlag zu diesen Themen auf den Tisch gelegt.
Im Europäischen Parlament, das in dieser Angelegenheit mitentscheidet, wollen sich die Abgeordneten vornehmlich mit dem Kommissionstext befassen. Auch der derzeitige EU-Ratsvorsitzende und belgische Finanzminister Didier Reynders erklärte am Donnerstag vor dem Justus-Lipsius-Gebäude, dass er noch vor Ende des Jahres eine Stellungnahme der EU-Staaten zum Gesetzesvorhaben der EU-Kommission anstrebe.
De Maart
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