Sonntag9. November 2025

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Abstimmung über „illegalen“ Vorschlag

Abstimmung über „illegalen“ Vorschlag
(dpa/Uli Deck)

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Das Europäische Parlament wird heute über einen Vorschlag der EU-Kommission abstimmen, der es erlauben soll, die Stickoxid-Grenzwerte von Dieselfahrzeugen in den kommenden Jahren um mehr als das Doppelte zu überschreiten.

Die heutige Abstimmung ist unter den EP-Abgeordneten hoch umstritten und wurde im Januar bereits auf den heutigen Tag verschoben. Noch bis Montagabend hatten die Fraktionen der Sozialdemokraten und der Liberalen keine klare Position über ihr Stimmverhalten festgelegt. Dabei hatten sie gemeinsam mit den Grünen, den Linken und den Souveränisten im vergangenen Dezember im Umweltausschuss eine Resolution durchgebracht, die den Kommissionsvorschlag ablehnt.

Bei diesem geht es um die Einführung eines neuen Messverfahrens von Autoabgasen unter Fahrbedingungen, dem „Real Driving Emission Test“. Bekanntermaßen sind unter Anwendung eines solchen Verfahrens in den USA die Tricksereien von VW aufgeflogen. Ab dem 1. September 2017 soll der „Real Driving Emission Test“ als Grundlage dafür dienen, „ob ein neues Fahrzeugmodell auf den Markt gebracht werden darf“, wie es in einer Kommissionsmitteilung vom Oktober 2015 heißt.

Diese Messmethode, bei der während der Fahrt mit einer speziell entwickelten Vorrichtung die Abgaswerte ermittelt werden, soll damit Standard in der EU werden. Doch offensichtlich scheint man sich in der Kommission darüber bewusst zu sein, welche Resultate diese Messtechnik offenbaren wird. Diese werden wohl kaum mit den seit 2014 einzuhaltenden Grenzwerten in Einklang stehen. In einer entsprechenden Regelung wurde bereits 2007 festgelegt, dass der Ausstoß von Stickoxiden progressiv reduziert werden müsse, bis auf 80 mg/km ab September 2014 (Euro6-Norm).

Widerstand

Der Vorschlag, über den die EU-Parlamentarier nun heute abstimmen werden, sieht vor, dass dieser Stickstoff-Grenzwert für Dieselfahrzeuge ab dem Jahr 2017 um 110 Prozent überschritten werden darf, ab 2020 „nur“ noch um 50 Prozent. Derzeit liegen die Stickstoff-Emissionen von Dieselfahrzeugen im Fahrbetrieb im Durchschnitt 400 Prozent über den im Labor gemessenen Werten, so die EU-Kommission. Die neuen Grenzwerte kamen aufgrund einer Einigung im technischen Ausschuss „Kraftfahrzeuge“ (Technical Committee of Motor Vehicles, TCMV), dem Vertreter aus allen EU-Mitgliedstaaten angehören, zustande.

Gegen eine weitere Überschreitung der Grenzwerte regt sich nicht nur im EP Widerstand. Unter anderem die Bürgermeister europäischer Haupt- und anderer großer Städte in der Union sowie der Europäische Verbraucherschutzverband BEUC rufen dazu auf, gegen den Kommissionsvorschlag zu stimmen. Die Bürgermeister weisen darauf hin, dass sie zunehmend mit dem Problem der Feinstaubbelastung konfrontiert sind. Diese geht vor allem von Dieselfahrzeugen aus.

„Illegal“

Der Europäische Verbraucherschutzverband seinerseits verweist auf eine Studie von Rechtsexperten, die die TCMV-Einigung als „illegal“ einstufen. Selbst der hausinterne Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments kommt in einem Schreiben an den Vorsitzenden des Umweltausschusses zur Schlussfolgerung, dass die EU-Kommission nicht dazu ermächtigt sei, eine Änderung der Emissionsgrenzwerte vorzunehmen. Der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, hat sich gestern für den Vorschlag der EU-Kommission ausgesprochen. Es gehe auch darum, der Automobilindustrie Rechtssicherheit zu bieten, argumentierte der bayerische Politiker.

In ihrem Schreiben an das EP verweist der BEUC auf eine Studie des International Council on Clean Transportation, laut der bereits drei technische Möglichkeiten von Autoherstellern eingesetzt werden, um die Euro6-Norm einzuhalten. In den Vereinigten Staaten übrigens liegt der Grenzwert für Stickstoff-Emissionen bei 35 mg/km.

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