Zu spät

Zu spät

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Es wurde Zeit für diese Art Lichtblick. Der Gipfel der Europäischen Union mit den Ländern Afrikas diese Woche in Brüssel hat neue Akzente gesetzt und den Ansatz geliefert, die Beziehungen der EU zum afrikanischen Kontinent zu ändern. Allen voran ist es das Verdienst des französisch-deutschen Gespanns François Hollande und Angela Merkel. Beide sprachen sie sich unter französischer Federführung dafür aus, eine Art neue Allianz mit Afrika einzugehen, in den Bereichen Sicherheit, Entwicklung und Umwelt, die da stehen für Frieden, Wachstum und Klimaveränderung. Neue Begriffe in einer Diskussion, die bislang eher von Ausdrücken wie humanitäre Hilfe, Entwicklungshilfe, Friedensmissionen oder illegale Immigration dominiert wurde. Und in der die Afrikaner eher die Position von bei der EU anklopfenden Bittstellern einnahmen.

Ein Sinneswandel, schön auf einem Sockel hehrer Ideale präsentierbar, doch durchaus mit knallhartem Kalkül. Afrika verspricht Wachstumspotenzial. Auch für europäische Unternehmen. In den letzten Dutzend Jahren hat der Kontinent mit seinen 54 Ländern seine Wirtschaftsleistung verdreifacht. Sechs von zehn der weltweit wirtschaftlich am schnellsten wachsenden Länder liegen in Afrika. Und vor allen Dingen, die Bevölkerung ist jung. Knapp über die Hälfte der einen Milliarde Menschen gegenüber von Gibraltar sind noch keine 18 Jahre alt. Was langfristige Planungen sinnvoll macht.

Im Jahre 2012 kamen ein Zehntel der EU-Importe aus Afrika (186,2 Milliarden Euro, 2007: 129,7 Milliarden), was 31 Prozent der afrikanischen Exporte allgemein ausmachte. 26 Prozent der Einfuhren der Afrikaner im Jahre 2012 stammten aus Europa. Im letzten Jahr exportierten die EU-Länder für 153 Milliarden Euro Waren auf den Nachbarkontinent, ein neuer Rekord laut Eurostat. Wobei Frankreich, Deutschland und Italien die größten Exporteure waren. Die neue Allianz lässt grüßen.

Schwer zu handhaben

Kurzum, Europa ist Afrikas stärkster Handelspartner und will dies ausbauen. Kein Wunder demnach, dass das in Europa so viel diskutierte Thema der illegalen Einwanderung aus Afrika bei dem gemeinsamen Gipfel am Mittwoch und Donnerstag nicht im Mittelpunkt stand, obwohl die italienische Marine alleine während des Gipfels 700 illegale Immigranten aus maroden Flüchtlingsbooten retten musste. Immerhin wurde eine bessere Zusammenarbeit auf diesem Gebiet beschlossen. Wobei eine Ausweitung der legalen Einwanderung nach Europa zum ersten Mal ebenfalls ein Thema war. Auch über die Zölle auf afrikanischen Einfuhren in die EU wird geredet. Sinneswandel sind nun einmal nicht umsonst zu haben. Besonders dann nicht, wenn es um neue wirtschaftliche Perspektiven geht.

Die Chancen, diese umzusetzen, sind gegeben. Einfach wird es nicht und es bedarf großer Anstrengungen. Über 18 Milliarden an Aufbauhilfe hat die EU alleine für die nächsten sechs Jahre für den afrikanischen Kontinent vorgesehen. Denn es gibt auch die anderen Zahlen über Afrika. Die Hälfte der Menschen muss mit weniger als 1,25 Dollar pro Tag auskommen, 80 Prozent der Konflikte, mit denen sich der Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen befasst, finden in Afrika statt. Wie augenblicklich in der Zentralafrikanischen Republik.

Ein Beispiel, wie schwer die Dinge in Afrika zu handhaben sind. Während man in Brüssel über eine neue Sicherheitsallianz für Afrika redet, ziehen sich die Truppen des Tschad aus der 6.000 Mann starken Schutztruppe Misca der Afrikanischen Union zurück. Die Verstärkung der Misca und der französischen „Sangaris“-Mission (2.000 Soldaten) durch die Eufor-RCA, zu deren Aufstellung sich die EU auf Drängen Frankreichs mühsam hat durchringen können, unter der Beteiligung von nur 13 Ländern, darunter Luxemburg und das Nicht-EU-Mitglied Georgien, wird kaum ausreichen, das 850 Mann starke Kontingent aus Tschad auszugleichen. Zudem ist es eine Mogelpackung.

Wären die Franzosen, die um Hilfe gebeten haben, nicht selbst mit 450 Mann dabei, sähe die groß angekündigte EU-Friedensmission alt aus. Hinzu kommt, dass sie erst Ende Mai einsatzbereit sein wird. Das ist zwar früher als die von den Vereinten Nationen vorgesehene 12.000 Mann starke Schutztruppe für die Zentralafrikanische Republik, die Mitte September zum Einsatz gelangen soll. Für die meisten der von den angeblich christlichen brutal mordenden Horden der Anti-Balaka verfolgten Muslime im Lande wird es jedoch vor allen Dingen eins sein: zu spät.