Mittwoch5. November 2025

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Leserforum„Space-famous“

Leserforum / „Space-famous“
 Foto: AFP/Patrick T. Fallon

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Geflügelte Worte heben gelegentlich schnell ab und verlieren im übertragenen Sinne die Bodenhaftung. Als Andy Warhol über das Phänomen des Ruhms nachdachte, formulierte er den häufig wiederholten Satz: „In the future, everyone will be world-famous for 15 minutes.“ (In Zukunft wird jeder für 15 Minuten berühmt sein.) Eine Spurensuche in der Vergangenheit konnte zeigen, dass es Aussagen ähnlicher Art auch vor diesem Künstlerausspruch gegeben hat. Aber wer heute an diese Prognose erinnert, denkt zumeist an die Demokratisierung des Celebrity-Wesens und die Kurzlebigkeit von Popularität. Warhol selbst tat gleichwohl viel dafür, dass es ihm anders ergehen solle.   

Auch in dieser Zeit, im Jahr 1970, formulierte der US-Schriftsteller Philip Roth einen philosophischen Gedanken: „Was, wenn die Welt eine Art – Show wäre! … Was, wenn wir alle nur Talente wären, vom großen Talentsucher dort oben zusammengestellt? Die große Show des Lebens! Jeder ein Schauspieler! Was, wenn Unterhaltung der Sinn des Lebens wäre!“ Man könnte ihm eine Beobachtung des Soziologen Erving Goffman zur Seite stellen und ergänzen: „Natürlich ist nicht die ganze Welt eine Bühne, aber die entscheidenden Punkte, in denen sie es nicht ist, sind nicht leicht zu finden.“  

Gemeinsam ist diesen Beobachtungen das Spiel mit Regeln des Medienzeitalters, die dennoch nicht in einem allseits anerkannten Kanon festgehalten wurden. So ist es erneut ein Künstler gewesen, der den einleitend mit Warhol wiedergegebenen Satz leicht modifizierte und eine Street-Art-Installation im Fernsehbildschirm-Format schuf: „In the future, everybody will be anonymous for 15 minutes.“ (In Zukunft wird jeder für 15 Minuten anonym sein.) Zugeschrieben wird diese Aussage Banksy (das Pseudonym eines britischen Street-Art-Künstlers), der – oder wer auch immer – das Rätselhafte um seine Person zu einem Spiel mit Anonymität und Identität entwickelt hat. Erneut wird hier die Mehrdeutigkeit und Vergänglichkeit eines temporeichen Lebens in einer ebenso temporeichen Medienumgebung in kompakter Form angesprochen. Der bleibende Bezugsrahmen ist der Ruhm, die Berühmtheit. Und was den Zeitrahmen anbelangt, entschied man sich für Stabilität: erneut 15 Minuten.  

Nun durfte man erfahren, unter anderem in Nachrichtenformaten, die dem 15-Minuten-Format treu geblieben sind, dass für das Außergewöhnliche ein neues Zeitlimit gesetzt wurde: 10 Minuten und 22 Sekunden. So lange dauerte vor etwa einem Monat ein Flug ins Weltall, der als Phänomen erneut bestätigt, auf welche Weise sich luxuriöse Ausflüge dieser Art als Widersacher der Gleichheit entpuppen. Die Popularität war selbstverständlich mit an Bord, dieses Mal ausschließlich weiblich. Ein neues Exklusivtourismus-Segment baut sich auf, das, um dem Ganzen einen Hauch von Nachhaltigkeit zu geben, mit einer Verantwortung für die Erde geschmückt wird. Um es zu unterstreichen, bediente man sich einer beliebten Geste: Nach der Rückkehr auf unseren Planeten wurde die Erde geküsst. Dabei stehen diese Raketenausflüge nicht gerade für einen schützenden Beitrag zur Stabilisierung der Erdatmosphäre.  

Aber wer eine Mission hat, lässt sich bekanntlich durch nichts beirren. Als David Bowie sein Album „Space Oddity“ veröffentlichte, wurde er von Stanley Kubricks Film „2001: Odyssee im Weltraum“ inspiriert. Das Album enthält einen gleichnamigen Song, der das Schicksal von Major Tom beschreibt. Ein Textauszug könnte diesen kuriosen und merkwürdigen neuen Expeditionen mitgegeben werden: „And the stars look very different today.“