Donnerstag4. Dezember 2025

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Pause, wg. der letzten Dinge?

Pause, wg. der letzten Dinge?

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Soll Pause sein, politische Pause, wegen der letzten Dinge, mit denen man sich am 1. und 2. November zu beschäftigen pflegt? Die beiden kirchlichen Totentage sind längst verweltlicht. Wer vor dem Grab oder der Urne steht, schenkt sein Denken denen, die ihm etwas bedeuteten. Aber zum Brauch gehört nach wie vor die Zeremonie, mit Trauermusik, bischöflichen Worten und Segnung. So ist es halt.

Es darf, es soll natürlich auch an Allerheiligen und Allerseelen über das geredet und gestritten werden, in der Familie, im Freundeskreis, was zurzeit geschieht und Folgen für alle hat. Wird Juncker EU-Präsident?

Gibt es für uns Luxemburger eine spannendere Frage?

Jetzt, nachdem er vorpreschte, gegen keinen Geringeren als Tony Blair, diesen aus unserer Sicht unmöglichen Kandidaten, dem aber auch seine Feinde zugestehen, er sei ein fesselnder Redner (in der wichtigsten Sprache, Englisch!), ein brillanter Überzeugungskünstler, ein visionärer Stratege (er führte Bush, und nicht umgekehrt), muss innerhalb der nächsten Wochen eine Entscheidung fallen. Die Juncker-Wahl, die im Interesse eines die Vereinigung anstrebenden Europas wäre, hätte allerdings unabsehbare Folgen für Luxemburg.
Wer ist denn dieser Frieden, der sein Nachfolger als Staatsminister und Premier wäre? Könnte er mit und an den neuen Aufgaben wachsen? Könnte er zu einem solchen werden, den man in der Krise als den Leader, als die Autorität erkennen und anerkennen würde?

Es ist nicht auszuschließen, doch irgendwie haben wir Zweifel. Nie trug ein Luxemburger Spitzenpolitiker derart prägnant wie er die Züge, die einem Spitzenbeamten gut stünden: Der Dauphin ist in allem pingelig exakt, er hat seine Unterlagen gelesen und verinnerlicht; er tritt adrett und nett in allen Kreisen auf.
Schön und gut.

Aber gehört nicht zur Wesensart der bête politique, wie jedes kleine oder große Land eine an seiner Spitze braucht, eine bête politique, im besten Sinne, die unbezähmbare Lust hat, neue Pfade zu betreten, außer der Reihe zu tanzen, zu hadern und zu poltern, wenn widersprochen wird?
Wohlgemerkt: Es geht nicht um Stil oder Form. Es geht letzten Endes um die Fähigkeit, das allgemeine Empfinden zu verkörpern und in womöglich positive, fortschrittliche Energie zu wandeln.

Wer gestern im Tageblatt die weit auseinanderdriftenden Analysen und Forderungen des Unternehmerpräsidenten Dennewald und des Gewerkschaftspräsidenten Reding las, spürt, dass dem bislang behäbigen Luxemburg demnächst ein großer Konflikt droht.

Das Patronat findet sich (naturgemäß) mit den Tatsachen ab. Es richtet nicht über die Verbrecher der internationalen Hochfinanz; es fühlt sich auch nicht im Geringsten mitschuldig; seine Sorgen sind Index, Mindestlohn und Staatsbeamten, alles Kostenfaktoren, die es in den konkurrierenden Ländern in luxemburgischer Höhe nicht (mehr) gibt.
Das Salariat kann sich (naturgemäß) nicht mit dem fatalen Ergebnis des Dschungelkriegs auf den weltweit offenen Märkten abfinden. Es tritt ein für das gewiss höhere ethisch-moralische Recht: Man führe dem Staat aus den Gewinnen die Mittel zu, die er für eine gerechte Umverteilung und die allgemeine soziale Absicherung benötigt.

Es wäre keine schlechte Nachricht

Da prallen zwei Philosophien aufeinander.
Die eine entspringt pragmatischem, kurzfristigem Denken; die andere idealistischem, langfristigerem.
Es gelang der Luxemburger Tripartite, die beiden auseinanderstrebenden Seiten zusammenzubringen, zum Wohl, meinen wir, des Landes, denn Luxemburg kann immer noch allen Nachbarn gegenüber punkten.

Juncker weiß um den Unsinn des totalen Sozialkriegs in Luxemburg. Er hat, mit Castegnaro seinerzeit, und neuerdings mit Reding, entscheidend zur Findung realistischer Luxemburger Kompromisse beigetragen.

Müsste Juncker nach Europa, verlöre das Luxemburger Modell einen wichtigen Träger.
So gesehen wäre Blairs oder eines (einer) anderen Ernennung zum EU-Präsidenten keine schlechte, sondern eine gute Nachricht für Luxemburg.