Israel in Schutz nehmen, doch welches Israel?
Ein kritischer Beitrag zum Schreiben und Wirken von Herrn Bernard Gottlieb
In einem persönlichen Artikel hatte der Autor dieses Beitrages sein Entsetzen über das anhaltende Morden an Zivilisten und die systematischen Verletzungen des humanitären Völkerrechtes im Gazastreifen ausgedrückt („T“ 16.1.). Eine heftige Reaktion unter der Feder von Bernard Gottlieb (BG) blieb nicht aus („T“ 24.1.). BG konnte die beschriebenen schrecklichen Kriegsverbrechen Israels in Gaza nicht widerlegen, deshalb suchte er, den Autor persönlich zu diskreditieren. Es ging ihm nicht um eine kontradiktorische Debatte, denn er lehnte eine Einladung des Tageblatt auf ein argumentatives Streitgespräch mit dem Autor ab.
Herr Bernard Gottlieb ist Präsident von RIAL („Recherche et information sur l’antisémitisme au Luxembourg“). Der Einsatz gegen Rassismus ist im Interesse des Zusammenlebens aller Bürger in einer demokratischen Gesellschaftsordnung. Doch sollte er objektiven Kriterien unterliegen, im Einklang mit der universellen Charta der Menschenrechte stehen und nicht für andere Zwecke missbraucht werden.
In seinem Beitrag sucht BG, die Verbrechen Israels zu minimisieren und die Schuld für das zehntausendfache Morden von Zivilisten der Hamas und sogar der Zivilbevölkerung selbst zuzuschieben. Dies erinnert gefährlich an die Kriegsrhetorik der israelischen Regierung, welche die Einwohner Gazas als „menschliche Tiere“ bezeichnet (Yoav Galant, ehem. Verteidigungsminister) oder gar verlauten lässt: „Es ist eine ganze Nation, die verantwortlich ist. Diese Rhetorik über Zivilisten, die angeblich nicht involviert wären, ist absolut unwahr … und wir werden kämpfen, bis wir ihr Rückgrat brechen“ (Jitzchak Herzog, Staatspräsident).
BG schreibt von „Terror-Tunnels und Kommandozentralen unter Krankenhäusern oder Schulen“. Mit denselben Worten begründen Israels Armeesprecher die flächendeckende Zerstörung des Gesundheits- und Schulsystems im Gazastreifen. Humanitäres Völkerrecht jedoch verbietet unter allen Umständen Angriffe auf Schulen, Spitäler oder medizinisches Personal. BG bezeichnet die palästinensischen Kämpfer als Nachfolger der Nazis. Am 7. Oktober wurden schlimme Kriegsverbrechen begangen und entsprechend verurteilt. Doch wie kann es sein, dass ein Rechtsstaat – wie Israel das von sich behauptet – ähnliche und noch viel schlimmere Verbrechen begeht in seiner nicht enden wollenden Unterdrückung der Palästinenser? Wo in Israel 20 Kinder unter 14 Jahren ermordet wurden, hat Israels Armee seither nahebei 20.000 Kinder im Gazastreifen ermordet. Tausende Palästinenser wurden verschleppt, sexueller Gewalt unterzogen oder gar zu Tode gefoltert. Die israelische Menschenrechtsorganisation B’Tselem belegt diese schrecklichen Tatsachen in ihrem Bericht „Willkommen in der Hölle – Das israelische Gefängnissystem als ein Netzwerk von Folterlagern“.
Antisemitismus ist Hass oder Diskriminierung gegen jüdische Menschen, weil sie Juden sind. Das ist eine Straftat und soll dementsprechend bestraft werden. Doch wenn ein Staat ein anderes Volk seit Jahrzehnten blutig unterdrückt und dabei schlimmste Kriegsverbrechen begeht, so sollte jeder rechtschaffene Mensch dies verurteilen, unabhängig davon, welche Identität dieser Staat sich gibt. BG beruft sich regelmäßig auf die IHRA-Definition von Antisemitismus, um Kritik an Israel zu diskreditieren. Eine Definition, die von unzähligen, vielfach jüdischen Juristen, wegen ihrer wohl gewollten Konfusion und Gefahr von Missbrauch kritisiert wird. Wenn es darum geht, Israel in Schutz zu nehmen, scheut BG sich nicht, Personen Worte in den Mund zu legen – gar zwischen Satzzeichen, als ob es sich um Zitate handle –, die nie gesagt oder geschrieben wurden oder ihnen judenfeindliche Beweggründe zu unterstellen.
Eine ähnlich tendenziöse Vorgehensweise findet man in den jährlichen RIAL-Berichten, die wie ein anti-palästinensisches Pamphlet oder ein Copy & Paste israelischer Regierungssprecher anmuten. Auch wenn es heißt, „le RIAL n’est pas partie prenante dans ce conflit“, merkt der Leser, dass hier der Kampf gegen Antisemitismus zum Zwecke einer politischen Agenda missbraucht wird, welche stellenweise die Ideologie der Siedler und der extremen Rechten widerspiegelt und so das Völkerrecht, die Illegalität der Besetzung Palästinas sowie das Bleiberecht der Palästinenser relativiert.
Antisemitismus, wie jede Form von Rassismus, darf nicht verharmlost werden. Leider wird von Israel und seinen Unterstützern der Antisemitismusvorwurf systematisch missbraucht, was dem Einsatz gegen tatsächlichen Rassismus schadet. Israels Regierung verleumdet die Vereinten Nationen als „antisemitische Organisation“ und bezichtigt den Internationalen Gerichtshof des Antisemitismus. Mit ähnlichen Anschuldigungen wird die gerade jetzt so lebensnotwendige Arbeit der UNRWA behindert und namhafte Menschenrechtsorganisationen und Persönlichkeiten werden diskreditiert, weil sie den Mut hatten, Israels Verbrechen anzuprangern.
Gerade jetzt, wo es darum ginge, einen Genozid zu verhüten, so wie es UN-Konventionen fordern, führt dies zu Schweigen und (Auto)Zensur. Unter dem Banner des Kampfes gegen Antisemitismus werden heute Konferenzen oder friedliche Demonstrationen untersagt und renommierte Universitäten bekommen Subsidien gestrichen. Wenn es um Israel geht, werden Grundpfeiler der liberalen Demokratie – wie das Recht auf Protest und die akademische Freiheit – hastig über Bord geworfen. „The greatest threat to freedom of speech in Western countries is Israel and its supporters, a threat to democracy“, formuliert es unverblümt der US-Politologe J. Mearsheimer.
In Zeiten, in denen Hunger als Kriegswaffe eingesetzt und der Gazastreifen zu einem Exterminationslager wird, Besatzung sich in Annexion verwandelt, Israels Regierung zunehmend repressiver wird und seine treuesten Verbündeten in rechtsextremen und rassistischen Ideologien weltweit findet, der Internationale Gerichtshof Südafrikas „Völkermord“-Klage für plausibel erklärt und der Internationale Strafgerichtshof Haftbefehle wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen erlässt, möchte man BG fragen, welchen Staat mit welchen Grenzen er meint, wenn er Israel bedingungslos in Schutz nimmt und sich dabei anmaßt, den Ruf anderer Bürger zu verletzen.
De Maart
Totale unterstuetzung fuer die meinung von C.Gregoire.
Bibi und seine Zionisten tragen selbst zum Antisemitismus bei, leider kommt von der Seite keine Einsicht. Sind die Rabins alle ausgestorben?