Zukünftig und entsprechend einem am vergangenen Freitag vom Ministerrat verabschiedeten Gesetzentwurf sollen Nicht-Luxemburger – unabhängig davon, ob diese nun aus einem EU-Staat oder einem Drittland stammen – in den Genuss des vollen passiven Wahlrechts kommen. In anderen Worten, Ausländer sollen in Luxemburg fortan auch das Amt des Bürgermeisters oder des Schöffen bekleiden können. Dies wurde ihnen bislang durch eine nationale Ausnahmeregelung verwehrt. Auch wenn sie beim entsprechenden Urnengang die dazu nötige Stimmenmehrheit erreicht hätten.
Nicht überraschend war die von Juncker gemachte Ankündigung deshalb, weil sie a) im Regierungsprogramm festgehalten ist (obwohl …) und b) der Maastrichter Vertrag von 1992 bereits das Wahlrecht (zumindest für EU-Bürger, die in einem anderen EU-Mitgliedsland leben) auf kommunaler Ebene vorsieht. Hinzu kommt, dass Ausländerorganisationen schon seit geraumer Zeit die Regierung zum Handeln in diesem Dossier drängten.
Unerwartet aber kam die Ankündigung ob des gewählten Zeitpunktes: Inmitten der laufenden Tripartite-Gespräche wirft der Beschluss einer solch gesellschaftspolitisch relevanten wie brisanten Gesetzesänderung unweigerlich die Frage nach einem möglichen politischen Kalkül auf. Wollte die Regierung bloß unterstreichen, dass sie in Krisen- und damit Tripartitezeiten in der Lage ist, auch „politisch hochkarätige“ Fragen zu behandeln, die über das finanz- und wirtschaftspolitische Geschehen hinausgehen? Oder aber ist der Zeitpunkt bewusst gewählt, um etwaigen Diskussionen möglichst aus dem Weg zu gehen?
Politisches Schweigen
Diese letztgenannte Vorgehensweise jedenfalls würde perfekt ins klassische Schema der Regierung passen, wenn es um das Thema Integration geht. Zwar reden die hiesigen Politiker – allen voran die CSV – immer gerne über die Wichtigkeit von Integration und gesellschaftlichem Miteinander. Was aber genau sie darunter verstehen oder was sie gegebenenfalls zu unternehmen gedenken, um die angesprochene Integration zu fördern oder die sogenannten Parallelgesellschaften zu verhindern, darüber schweigen sie sich in den allermeisten Fällen aus. Oder aber sie treffen Entscheidungen, die konträr zu einer integrierten Gesellschaft laufen.
In diesem Zusammenhang sei nur an die obligatorische Residenzdauer von sieben Jahren zum Erlangen der doppelten Staatsbürgerschaft erinnert. Zu heiß, um es umgangssprachlich auszudrücken, scheint den (CSV-)Politikern das Thema vor allem in Bezug auf die eigene Wählerschaft zu sein.
Dabei wäre eine öffentliche Auseinandersetzung mit dem gleichermaßen sensiblen wie komplexen Thema Integration gerade in Luxemburg von größter Wichtigkeit. Denn ein Ausländeranteil von um die 44 Prozent stellt ein Land, vor allem ein Land von der Größe Luxemburgs, vor besondere Aufgaben. Der Politik (und damit ist zu diesem Zeitpunkt an erster Stelle die Regierung gemeint) kommt in diesem Zusammenhang eine immense Verantwortung zu. Schließlich ist sie es, die für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und sozialen Frieden verantwortlich ist.
Das Thema Ausländerwahlrecht (auch wenn man vom Prinzip her die Entscheidung nur begrüßen kann) darf demnach nicht einfach unkommentiert und ohne Debatte der Öffentlichkeit „preisgegeben“ werden. Zu groß ist einfach das Risiko, dass die falschen Personen mit ebenso falschen Aussagen die (wohl ernst zu nehmenden Ängste) einzelner Personen ausnutzen und auf diesem Weg Luxemburger und Nicht-Luxemburger gegeneinander aufhetzen.
Integration ist einfach ein Thema, das sehr facettenreich ist, ein Thema, bei dem nicht alles schwarz und weiß ist. Pauschale, undifferenzierte Einschätzungen oder Aussagen in diesem Zusammenhang können im Extremfall verheerende gesellschaftliche Folgen haben. In diesem Sinne sollten die Politiker einfach den Mut, die Kraft, aber auch die Ausdauer aufbringen, um objektiv zu diskutieren und vor allem zu informieren.
Tom Wenandy
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De Maart
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