Denn der in etwas mehr als einer Woche anstehende Schulanfang ist für viele Väter und wahrscheinlich noch mehr Mütter mit einem im Vergleich zu den Sommermonaten dramatischen Anstieg der Stresshormone verbunden.
" class="infobox_img" />Tom Wenandy [email protected]
Wobei der erste Schultag an sich noch das geringere Übel ist. Viel aufreibender sind die „Nebenwirkungen“: will heißen die mit dem Schulanfang verbundenen Einkäufe. Nicht (zumindest nicht nur) weil die Eltern bis zum Schulanfang warten, um die nötigen Besorgungen zu machen, sondern weil neben den vorgeschriebenen Schreibutensilien und Büchern in sehr vielen Fällen eine Vielzahl zusätzlicher, weil trendiger „Ausrüstungsgegenstände“, eine neue Garderobe inklusive, angeschafft werden „müssen“.
Ob die Initiative zu diesem alljährlichen Einkaufsmarathon von den Eltern, von den Kindern oder vielleicht sogar von beiden ausgeht, sei hier mal dahingestellt. Sonderlich überraschend ist dieses Verhalten nicht.
Denn schließlich hat das von der Wirtschaft ausgehende „Immer mehr“-Credo längst Einzug in die Gesellschaft und fast all unsere Gewohnheiten gehalten. Hinzu kommt, dass die Produkthersteller (womit wir wieder direkt bei der Wirtschaft wären) schon seit längerem die Jüngsten als direkt oder indirekt kaufkräftige Klientel entdeckt haben. So wird der Schulanfang gekonnt von der Werbung zum Anlass genommen, um künstliche Bedürfnisse zu kreieren.
Volle Terminkalender
Aber der Stress – und das ist vielleicht das eigentlich Dramatische – limitiert sich nicht nur auf die Schule und die damit verbundenen materiellen Anschaffungen bzw. finanziellen Ausgaben.
Pünktlich zum Schulanfang beginnt nämlich für viele Eltern auch die Suche nach geeigneten, sinnvollen Freizeitbeschäftigungen für ihre Sprösslinge. Mit einfachem Spielen zu Hause oder in der Natur (von einfachem „Faulenzen“ ganz zu schweigen) ist es schon lange nicht mehr getan. Einen Sport im Verein muss ein Kind mindestens betreiben. Und um seine musischen und sozialen Kompetenzen weiterzuentwickeln, bieten sich zusätzlich der Besuch einer Musikschule und die Mitgliedschaft bei den Pfadfindern an. In einigen Fällen nimmt die „Freizeitgestaltung“ derartige Ausmaße an, dass Kinder schon im Grundschulalter einen Terminplan haben, der aufgrund seiner Fülle mit dem eines Erwachsenen vergleichbar ist. Es soll sogar Eltern geben, die nicht berufstätig sind und ihre Zeit fast ausschließlich damit verbringen, ihre Kinder von einem Termin zum nächsten zu fahren. Mit dem öffentlichen Transport wäre der eng gesteckte Zeitplan nicht einzuhalten.
Zweifelsohne wollen sie für ihren Nachwuchs nur das Beste; dass sie ihrem Kind aber vielleicht mehr schaden als nützen, kommt diesen Eltern nicht in den Sinn. Eltern, die ihre Kinder derart „fördern“, unterliegen, wie es der Schweizer Kinderarzt Remo Largo ausdrückt, der 30 Jahre lang die Abteilung „Wachstum und Entwicklung“ am Kinderspital in Zürich leitete, dem fatalen Irrtum, je eher das Kind mit etwas beginne und je intensiver es die Sache betreibe, desto besser es darin werde. Das stimme aber nicht, wie er im Interview mit Spiegel Wissen sagt. Bei den meisten Angeboten gehe es um die Ängste und Erwartungen der Eltern und weniger um das Wohl der Kinder. Largo geht gar so weit, zu behaupten, dass mit den verschiedenen Freizeitangeboten manche Eltern die Beschäftigung mit dem Kind an andere delegieren.
Dabei wissen wahrscheinlich die meisten Eltern das, was etliche Experten, darunter auch Largo, seit Jahren predigen. Nichts ist für ein Kind und dessen Entwicklung – vor allem in den ersten Lebensjahren, aber auch danach – wichtiger als die Zeit, die die Eltern mit ihm verbringen. Und dabei geht es nicht nur um physische Präsenz, will heißen, es kommt nicht nur auf die Quantität, sondern auch auf die Qualität an. Oder simpler ausgedrückt: Kinder brauchen die Aufmerksamkeit ihrer Eltern.
De Maart
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