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Zu „Ist eine alternative jüdische Stimme noch erlaubt?“, Tageblatt, 29./30. März 2025.

In der Shoah waren die Juden die Opfer. Im Nahostkonflikt sind die Juden die Opfer und die Unterdrücker zugleich. Das scheint schon für viele zu kompliziert zu sein. Das Pogrom vom 7. Oktober ist unqualifizierbar. Das Gleiche gilt für den Massenmord der Zivilbevölkerung im Gazastreifen.

In der Shoah gedenken wir sechs Millionen jüdischer Opfer. Im Nahostkonflikt müssten wir der über tausend ermordeten, vergewaltigten, zu Geiseln gemachten jüdischen Opfer gedenken und dasselbe tun für die 50.000 ermordeten Palästinenser. Das zu sagen, ist kein Relativismus. Es ist Geschichte, wie sie heute geschrieben wird. Leider. Man kann den Rachefeldzug Netanjahus nachvollziehen, wenn auch nicht in seinen Ausmaßen. Der Antisemitismus Hitlers hatte andere Beweggründe als jener des Hamas, aber es bleibt Antisemitismus. In dem Sinn stehen Nahostkonflikt und die Shoah im gleichen Spannungsfeld. Beide, Hitler und der Hamas, wollten und wollen die Vernichtung der Juden auf dieser Welt. Das war und ist unvorstellbar für einen denkenden Menschen.

Dabei sind die Palästinenser auch Semiten. Viele leben als Menschen zweiter Klasse in Israel. Was unterscheidet den Hass der Palästinenser gegenüber den Juden von dem rechtsextremistischer Juden gegenüber den Palästinensern? Hass ist immer der Tod des Denkens, auch wenn er als Antisemitismus auftritt. Wir vergessen zu oft, dass das Resultat dieses Hasses den Tod von Menschen bedeutet, seien sie nun Juden oder nicht.

Es gibt viele alternative jüdische Stimmen. Ich möchte nur zwei nennen. Amos Oz, der kürzlich verstorbene jüdische Schriftsteller, der sein Leben lang für einen palästinensischen Staat plädierte und somit für ein friedfertiges Nebeneinander. Dann noch Shlomo Sand, Professor für Geschichte an der Universität von Tel Aviv, der in seinem erleuchtenden Buch „Wie das jüdische Volk erfunden wurde“ zeigt, wie Antisemitismus auf einer vergessenen Geschichte in der Geschichte beruht.

„Eine Nation (…) ist eine Gruppe von Personen, die verbunden sind durch einen gemeinsamen Irrtum hinsichtlich ihrer Ahnen und durch eine gemeinsame Abneigung gegenüber ihren Nachbarn“ – Karl W. Deutsch („Der Nationalismus und seine Alternativen“).