Sonntag21. Dezember 2025

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LeserforumDas Weltgericht verliert an Gewicht

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Es war kaum mehr als eine Randnotiz: „Aus Strafgerichtshof ausgetreten.“ Doch die Nachricht hat Gewicht. Mali, Niger und Burkina Faso, die allesamt von pro-russischen Militärjuntas regiert werden, haben ihren Austritt aus dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) erklärt. Die westafrikanischen Staaten sind seit Jahren brutaler Gewalt durch Dschihadistengruppen ausgesetzt, die mit al-Qaida und der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) in Verbindung stehen. Aber auch ihren Armeen werden Verbrechen gegen Zivilisten vorgeworfen. Sie werfen der Schlüsselinstitution im internationalen Strafrecht zur Verfolgung von Völkermord, Kriegs- und Menschlichkeitsverbrechen vor, willkürlich zu urteilen und ein „Instrument neokolonialer Unterdrückung“ zu sein. Gleichzeitig distanzieren sich die Militärjuntas vom Westen und suchen die Nähe zu Russland – jenem Staat, dessen Präsident der IStGH 2023 mit einem Haftbefehl belegte. Besorgniserregend ist die mögliche Signalwirkung: Wer Strafverfolgung fürchtet, könnte nachziehen. Ein fatales Zeichen.

Ist die Euphorie der Anfangsjahre des Internationalen Strafgerichtshofs verflogen? Bröckelt die Institution des Völkerrechts? Die Gründung des Internationalen Strafgerichtshofs im Jahr 2002 galt als Meilenstein: Er sollte als „Gewissen der Welt“ die schlimmsten Verbrechen ahnden. Doch die Realität ist ernüchternd. Großmächte wie die USA, Russland, China oder Indien verweigern die Mitgliedschaft. Zwar klingen spektakuläre Haftbefehle gegen Machthaber wie Putin oder Netanjahu eindrucksvoll, doch keiner von ihnen muss sich vor klickenden Handschellen fürchten.

Warum ist das so? Drei Gründe stechen hervor: Erstens fehlt die Mitwirkung der wichtigsten Staaten. Zweitens nehmen selbst die Mitglieder den Gerichtshof nicht ernst. Drittens gilt er vielen als „Afrikatribunal“. Während Den Haag auf dem afrikanischen Kontinent besonders aktiv ist, bleiben Verbrechen westlicher Staaten, etwa im Irak oder in Libyen, ohne Konsequenzen. Diese Kritik ist nicht aus der Luft gegriffen. Sie hat Gewicht, auch wenn der Gerichtshof das einzige permanente Instrument ist, um die „größten Menschenschinder“ vor Gericht zu bringen. Gerade deshalb wiegen die jüngsten Austritte so schwer. Anstatt den Gerichtshof zu reformieren und seine Glaubwürdigkeit zu stärken, ziehen sich ausgerechnet diejenigen zurück, die selbst unter Verdacht stehen. Das schwächt das einzige Instrument, mit dem sich Völkermord, Kriegs- und Menschlichkeitsverbrechen verfolgen lassen, und untergräbt seine Autorität weiter.

Am Ende bleiben zwei bittere Fragen: Wollen die Vertragsstaaten wirklich Gerechtigkeit durchsetzen? Und was ist ein Internationaler Strafgerichtshof wert, wenn sich die Mächtigen entziehen und die anderen austreten, sobald es ernst wird?