LEITARTIKEL: Fret àgrande vitesse

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Die Weltwirtschaft scheint sich langsam von den schlimmsten Konsequenzen des Subprime-Desasters zu erholen und doch gibt es Sektoren, die durch den Einbruch der industriellen Aktivitäten nach wie vor schwer zu leiden haben. / Francis Wagner

Ein besonders auffälliges Beispiel ist hierfür der Güterverkehr auf der Bahn.
Sowohl die Luxemburger CFL Cargo – die sich je zur Hälfte im Besitz der staatlichen CFL und des privaten Stahlkonzerns ArcelorMittal befindet – wie die Frachttöchter der belgischen und französischen Staatsbahnen haben mit ernsthaften Problemen zu kämpfen.
Dies ist gerade in einer Zeit, wo dem Einfluss des Transportsektors auf den Klimawandel besondere Aufmerksamkeit zukommt, zu bedauern. Über lange Distanzen ist die CO2-Bilanz der Güterbahn gegenüber dem Lkw deutlich günstiger. Güter, die über die Bahn befördert werden, ersparen der Allgemeinheit zudem die Massaker, die Lastwagen – aufgrund des miserablen technischen Zustands vieler (vor allem osteuropäischer) Fahrzeuge und übermüdeter (weil gnadenlos ausgebeuteter) Fahrer – jahraus, jahrein auf den Straßen anrichten.

Schengen auf der Schiene

Im lokalen und regionalen Verkehr ist die dominierende Rolle des Lkws wohl unanfechtbar (obwohl die Schweizer längst bewiesen haben, dass auch hier die Bahn ihre Rolle spielen kann) und man muss auch anerkennen, dass die Technik dieser Maschinen im Laufe der Jahre (vor allem weil die Hersteller durch europäische Normen dazu gezwungen werden) deutlich umweltfreundlicher geworden ist. Doch im Fernverkehr stellen die Legionen von Schwerlastern eine wahre Landplage dar, und es muss alles unternommen werden, um die Verlagerung des „fret“ auf die Bahn zu fördern.
Ein vielversprechender Ansatz in diesem Bereich stellt das Prinzip der „autoroute ferroviaire“ dar, wie sie z.B. die Firma Lorry Rail (mit CFL-Beteiligung) von Luxemburg nach Perpignan betreibt: Hier werden Lkw-Auflieger auf Eisenbahnwaggons von Bettemburg nach Frankreich (oder umgekehrt) befördert, während anschließend die Feinverteilung der auf diesen Aufliegern verladenen Güter über die Straße erfolgt.
Interessant ist ferner das gestern von der französischen Regierung präsentierte Projekt von Hochgeschwindigkeits-Güterzügen über die (von ihrer Konstruktion her durchaus für diese Aufgabe geeigneten) TGV-Strecken („LGV“). Besonders im Bereich hochwertiger oder leicht verderblicher Güter könnte die Bahn hier dem Flugzeug oder dem Laster Marktanteile abjagen. Wobei aber nicht verschwiegen werden sollte, dass sich mit zunehmender Geschwindigkeit auch die Energiebilanz dieser Züge – hauptsächlich aufgrund des wachsenden Luftwiderstandes – merklich verschlechtert.
Besonders wichtig ist die Schaffung der von der EU gewollten europäischen Frachtkorridore: Luxemburg wird übrigens vom Korridor C, der von den belgischen Seehäfen via Bettemburg nach Basel und Lyon führt, durchquert.
Hier kommt vor allem der raschen Verwirklichung eines europaweit einheitlichen Leit- und Sicherungssystems (ERTMS) große Dringlichkeit zu, so dass auf der Bahn endlich jenes grenzenlose transeuropäische Verkehrsnetz Wirklichkeit werden kann, das auf den Autobahnen längst existiert: Schengen auf der Schiene.
Die europäischen Regierungen müssen jetzt sicherstellen, dass nun nicht Bahnfracht-Kapazitäten der Krise zum Opfer fallen, die, sobald die Konjunktur wieder richtig brummt, im Interesse von Mensch und Umwelt dringend benötigt werden.

fwagner@tageblatt.lu