Harte Zeiten für die meisten

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Vor nicht langer Zeit konnte man davon ausgehen, dass das Kräfteverhältnis zwischen Patronat und Salariat in Luxemburg ein ausgewogenes war. Alles spielte sich auf lokaler bzw. nationaler Ebene ab.

Die Gewerkschaften standen Luxemburger Betrieben und Luxemburger Arbeitgebern gegenüber; man verhandelte bis zum Gehtnichtmehr und kam schließlich zu einem akzeptablen Kompromiss, der dem allgemeinen Streben nach sozialem Fortschritt Rechnung trug.

Alvin Sold asold@tageblatt.lu

Dieses „Modell Luxemburg“ gibt es leider nicht mehr. Viele einheimische Unternehmen, allen voran die vormalige Arbed, sind im Zuge des Wettbewerbswahns von wuchernden Konzernen übernommen worden. Entscheidungen über Desinvestitionen, Produktionsverlagerungen, Leistungsdruck, verschärfte Dienstvorschriften und Kündigungen werden im Ausland getroffen, immer im legalen Rahmen, nach dem Motto: Vogel friss oder stirb.

Luxemburg, du parierst, du bietest uns steuerliche und andere Vorzüge, deine Regierung hilft uns, die Renditen zu steigern, indem sie die realen Lohnkosten drückt: Weg mit dem Index und dem straffen Arbeitsrecht, her mit einem neuen, teilweise privaten Pensions- und Krankenkassensystem, wie bei den Nachbarn, wie in fast ganz EU-Europa! – So liest sich, in Kurzfassung, der Forderungskatalog der in ihrem starken Dachverband UEL organisierten Unternehmerschaft, die engstens mit der Bankenvereinigung ABBL kooperiert.

Man kann nicht anders als am 1. Mai zu bedauern, dass die luxemburgischen Gewerkschaften noch immer getrennt auftreten, zur großen Freude der Gegenseite. Noch immer scheinen die alten ideologischen Meinungsverschiedenheiten wichtiger zu sein als die verdammte Pflicht, geeint der geballten Macht des Kapitals entgegenzutreten. Es muss wohl noch zu einigen Katastrophen kommen, bis, beispielsweise, der LCGB sich ernsthaft mit dem Thema Einheitsgewerkschaft auseinandersetzt und sich mit dem Angebot des OGBL anfreundet.

Starke Gewerkschaften, eine sehr starke Gewerkschaft, sind heute notwendiger denn je, um erstens gute und gerechte Löhne durchzusetzen und zweitens breite politische Unterstützung für die Verteidigung des Sozialstaats zu gewinnen.

Seit der von ihnen ausgelösten Finanzkrise treiben die sogenannten Märkte in Europa die europäischen Institutionen und Regierungen vor sich her. Um den anscheinend schlecht konstruierten Euro zu retten, nahmen die leicht manövrierbaren Spitzenpolitiker Europas mit Hilfe der EU-Kommission den einzelnen Mitgliedstaaten jeden budgetären Spielraum jenseits enger Normen, wie etwa das maximale Defizit von 3% gegenüber dem Bruttoinlandsprodukt oder die maximale Verschuldungsrate von 60%, über die US-Amerikaner und Japaner herzhaft lachen dürfen …

Die von den Konservativen gewollte Austerität hat EU-Europa jeden Reiz genommen. Millionen und Abermillionen sind arbeitslos geworden, überall werden die sozialen Leistungen abgebaut, es fehlt Geld für öffentliche Investitionen und es entsteht immer mehr Freiraum für privatwirtschaftliche Willkür. Die Zeiten sind hart geworden für die meisten Menschen in Europa und für immer mehr Menschen in Luxemburg.

Wenn die Völker mürbe sind

Die finanzielle Entwaffnung der europäischen Staaten ist an den überall praktizierten Sparprogrammen erkennbar, die unweigerlich, in der zweiten Phase, wenn die Völker mürbe sind, in den systematischen Abbau der sozialen Umverteilung münden. In Deutschland – ja, dort! – wird immer öfter festgestellt, dass die Reichen reicher und die Armen ärmer werden.

Das kann kein gutes Ende nehmen.

Noch besteht die Möglichkeit zur Einflussnahme auf die politische Großwetterlage.

Jeder, der lohnabhängig ist, sollte seiner Interessenvertretung, seiner Gewerkschaft volle Unterstützung geben und es nach außen zeigen. Jeder, der ein Stimmrecht hat, sollte es am 25. Mai für eine radikale Kurskorrektur in Europa einsetzen, eine solche, die zu mehr sozialer Gerechtigkeit sowie weniger Arbeitslosigkeit und Armut führt.

Ein naiver Wunsch?

Die Hoffnung stirbt zuletzt, Leute!