Güterbahn und Umwelt

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Am Montag dieser Woche haben Frankreichs Staatspräsident François Hollande und der italienische Regierungschef Mario Monti den Bau der Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsstrecke (LGV) von Lyon nach Turin beschlossen.

Mit diesem Projekt wird die Über- und vor allem Unterquerung der Alpen über eine weitere Route wesentlich vereinfacht.

Francis Wagner fwagner@tageblatt.lu

Pioniere auf dem Gebiet der schnellen Überwindung der höchsten Gebirgskette Europas sind die Schweizer. Sie sind es ihrem Ruf schuldig: Die Eidgenossenschaft gilt völlig zu Recht als das gelobte Land des Eisenbahnverkehrs. Voraussichtlich ab 2016 werden Personen und Güter mit einer Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h durch einen 57 Kilometer langen Tunnel (den längsten der Welt) unter eben jenem Gebirgsmassiv, das einst einen regelrechten Riegel zwischen Nord- und Südeuropa darstellte, hindurchdüsen.

Gerade in einem äußerst empfindlichen Ökosystem wie jenem der Alpen ist es von absoluter Wichtigkeit, ein Maximum des Straßenverkehrs auf die Schiene zu verlagern. Wenn es nämlich ein Ökodesaster im Alpenraum gibt, dann ist es die Brennerautobahn: Der unendliche Lastwagen-Lindwurm, der sich tagaus, nachtein aus dem Inn- oder Etschtal zum Pass hinaufquält, ist für Mensch und Natur immer schwerer zu verkraften.

Auch Luxemburg betroffen

Am Beispiel Brenner sieht man, welchen kriminellen Unfug eine total liberalisierte Transportpolitik in letzter Konsequenz darstellt: Tonnenkilometer sind auf der Straße billig wie Dreck, doch die Allgemeinheit zahlt dafür einen enormen Preis. Der geplante Brenner-Basis-Bahntunnel wird indes frühestens im Jahr 2025 in Betrieb gehen. Nun ist aber auch das Projekt Lyon-Turin aus ökologischen Gründen nicht unumstritten: Auch der Bau einer LGV hat einen massiven Einfluss auf die Alpennatur. Man muss aber gerade hier Kosten und Nutzen abwägen.

Und da dürfte es durchaus so sein, dass die Vorteile, die aus der Modal-Verlagerung von der Straße auf die Bahn Jahr für Jahr erwachsen, die Nachteile infolge der landschaftlichen Veränderungen entlang der Strecke deutlich überwiegen. Wenn bei der südlichen Alpenquerung wegen dieser LGV jedes Jahr eine Million weniger Lastwagenfahrten anfallen, stellt das für die alpine Fauna und Flora sowie für die Menschen, die dort leben, summa summarum eine deutliche Verbesserung dar.

Leider hat man den Eindruck, dass bei den Protesten gegen diese neue Strecke die Froschperspektive des lokalen Nimbytums einmal mehr den Blick für das große Ganze und mithin für das Allgemeinwohl verstellt.

Das Projekt Lyon-Turin betrifft übrigens auch Luxemburg: Unser Land liegt nämlich an einem der Hauptverkehrskorridore für die europäische Eisenbahnfracht. Der Korridor C führt vom Antwerpener Hafen via Bettemburg nach Basel und … Lyon.

Weil die Luxemburger Regierung große Erwartungen in den Ausbau des Logistiksektors setzt, muss sie nun Acht geben, im Zusammenhang mit der neuen LGV nicht den Zug zu verpassen. Denn schnelle Güterzüge mit hochwertiger Fracht (die innereuropäische Konkurrenz zur Luftfracht) können Lyon sehr wohl auch unter völliger Umfahrung unseres Territoriums erreichen.