Energie-Zwickmühle

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Vor genau 50 Jahren – am 17. April 1964 – wurde das Pumpspeicherkraftwerk in Vianden offiziell eingeweiht. Zehn Turbinen liefern Spitzenstrom und sorgen für die Speicherung von Überschussenergie.

Seit 2010 laufen die Arbeiten, um das Kraftwerk um eine weitere 200-MW-Pumpturbine zu erweitern. Die Inbetriebnahme dieser elften Maschine soll den Angaben der „Société électrique de l’Our“ (SEO) zufolge noch in diesem Jahr erfolgen. Investitionskosten laut SEO: 186 Millionen Euro. Warum diese Einleitung? Weil das Thema Energie von allen Regierungsparteien als Top-Priorität bezeichnet wurde.

Claude Molinaro cmolinaro@tageblatt.lu

Im Regierungsprogramm sind dem Thema fünfeinhalb Seiten gewidmet. Im Kapitel „Die Rolle der Unternehmen mit staatlicher Beteiligung“ steht z.B., dass die Beteiligungen des Staates überprüft werden, um besser in diesem Bereich agieren zu können. Und die Regierung zögerte auch nicht lange, als sich die Gelegenheit dazu bot. Nachdem am vorigen Freitag bekannt geworden war, dass die beiden Energielieferanten E.ON und RWE aus Enovos aussteigen wollen, folgte am Montag bereits die Antwort des Energieministers: Der Staat werde seine Beteiligung auf 51 Prozent der Anteile erhöhen, kündigte er an. Was die Frage nach dem Preis und der Finanzierung angeht, blieb der Minister eine Antwort schuldig. So kurz nach der Präsentation des Staatshaushaltes im Zeichen des Sparens wohl nicht verwunderlich.

Anspruch und Realität

Es ist also durchaus angebracht, sich ein paar Gedanken über die Ansprüche von „Gambia“ in diesem wichtigen Bereich zu machen. „Raus aus der Energiefalle“, hieß es von mehreren Seiten im Wahlkampf. Die Frage stellt sich, ob diese Falle nicht eine Zwickmühle ist.

Beispiel eins: Der Spitzenstrom des Viandener Werks wird in das deutsche RWE-Netz eingespeist. Von hier werde auch der benötigte Pumpstrom bezogen, heißt es auf der Website der SEO. Da RWE jedoch auch Atomkraftwerke betreibt, wird man sich fragen müssen, inwieweit der Wunsch der Regierung, die Versorgung mit elektrischem Strom in Zukunft exklusiv über erneuerbare Energie zu bewerkstelligen, überhaupt realistisch ist.

Beispiel zwei: Auch in dem kleinen Kapitel des Koalitionsabkommens über „Energie und Kompetitivität“ beißt sich die Regierungskatze in den Schwanz. Dort heißt es, die Regierung „étudiera la possibilité (…) d’affecter une partie des revenus de la vente aux enchères des droits d’émission dans le cadre du système d’échange de quotas d’émission de gaz à effet de serre, pour couvrir les effets indirects occasionnés par les prix de CO2 sur les prix de l’électricité de certaines catégories de clients industriels“. Im Klartext: Industriebetriebe bekommen Geld aus dem CO2-Emissionshandel, um die Auswirkungen der CO2-Emissionen auf die Energiepreise auszugleichen. Wenn man weiß, dass die Großindustrien wie ArcelorMittal auch beim CO2-Ausstoß groß sind, kann man sich fragen, ob das Prinzip des „pollueur-payeur“ nun offiziell nicht mehr gilt. Oder wird die Klimaschutzdebatte nun dazu benutzt, um die Großindustrie auf Kosten der Allgemeinheit zu bezuschussen? „Öffentliche Subventionen für und Investitionen in fossile und atomare Brennstoffe sollten beendet werden“, lautete eine Forderung von „déi gréng“ im Wahlkampf. Frage: Gilt dies nicht für die Subventionen für die Nutzer solcher Energiequellen?

Bei diesem doch so wichtigen Thema für unsere Zukunft scheint es, dass die Interessen der Umwelt und Nachhaltigkeit sich denen der Industrie beugen mussten. Man würde es wohl Ironie der Geschichte nennen, wenn sich „déi gréng“ bei ihrer ersten Regierungsbeteiligung bei einem ihrer Kernthemen über den Tisch ziehen ließen.