Donnerstag6. November 2025

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Bibis schwere Zeiten

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Seit dem Gazakrieg bläst den Israelis der Wind offen ins Gesicht. Zum ersten Mal reagierte die internationale Gemeinschaft mit einem Aufschrei der Empörung und des Entsetzens auf einen israelischen Angriff. Es nützte nichts, dass Netanjahu den Krieg als einen Gegenschlag für die zahlreichen Raketenangriffe auf Israel während Jahren bezeichnete. Als zu groß wurde die Unverhältnismäßigkeit...

Auch die erschreckende Zahl von 1.400 toten Palästinensern, darunter zahlreiche Zivilisten und über 400 Frauen und Kinder, denen lediglich 13 tote Israelis gegenüberstanden, von denen sieben sogar noch von eigenen Leuten umgebracht worden waren, schockierte zu sehr. Niemand war mehr bereit, der israelischen Regierung die Theorie abzukaufen, die Israelis seien die Opfer, nicht die Palästinenser.

Es folgte der Goldstone-Bericht vom September letzten Jahres, der dieses Gefühl vieler Menschen bestätigte, dass Israel menschenverachtend vorgegangen war. Im Bericht ist die Rede von israelischen und palästinensischen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Israels Argumentation brach vollends zusammen.

Das Land stand zum ersten Mal als Täter in der Öffentlichkeit. Da nützte der hilflose Versuch von Premier Netanjahu wenig, den Einsatz kurz nach dem Goldstone-Bericht vor der UN-Vollversammlung noch einmal zu rechtfertigen und die Entscheidung, Gaza mit Bomben zu zerstören, sogar mit der von Roosevelt und Churchill zu vergleichen, die deutschen Städte im Zweiten Weltkrieg zu bombardieren. Womit er indirekt ja zugegeben hat, dass die Zerstörung Gazas das eigentliche Ziel war.

Die Glaubwürdigkeit Israels war mehr als angekratzt.

Chancen für andere Lösungen

Vor diesem Hintergrund ist es zu begrüßen, dass auch das Europäische Parlament gestern empfahl, den Aufforderungen des Goldstone-Berichts nachzukommen und neue Untersuchungen zur lückenlosen Aufklärung der Vorfälle in Gaza zu verlangen. Dies auch entsprechend der UN-Resolution vom letzten 26. Februar.

Seit dem Gazakrieg also und seit US-Präsident Barack Obama sich klar für eine Zwei-Staaten-Lösung in Nahost ausgesprochen hat, ist die israelische Führung nervös. Was sicher auch damit zu tun hat, dass bisher erfolgreich vom Geschehen in Israel und Palästina ablenkende Strategien kaum mehr fruchten. Etwa die, immer dann von einer Bedrohung Israels durch den Iran zu reden, wenn dieses selber am Pranger steht.

So wie gestern noch einmal geschehen. Während die ganze Welt einmal mehr den Kopf schüttelt und über die israelische Brüskierung des US-Vizepräsidenten Joe Biden spricht, redet Israels Armeechef Aschkenasi in den USA erneut davon, dass Israel sich alle Optionen bis hin zum präventiven militärischen Schlag gegen das Atomprogramm des Irans offenhält.
Das Ablenkungsmanöver griff diesmal nicht mal in den USA, wo die Entrüstung über das Verhalten gegenüber Biden Wellen schlägt. Und schon gar nicht in Israel selber. Dort rechnete die Presse hart mit Netanjahu und der Ankündigung, 1.600 Wohnungen in Ost-Jerusalem genehmigen zu wollen, ab. Es zeige erstens, dass Netanjahu unfähig sei, mit den Amerikanern korrekt umzugehen, und zweitens, dass er ebenso unfähig sei, die Regierung zu leiten. Zudem würden die ständigen neuen Provokationen darauf hindeuten, dass die Regierung Netanjahu überhaupt keine Friedensgespräche wolle, weder direkte noch indirekte.

Diese Haltung könnte sich schließlich gegen Israel selber wenden, so die Befürchtung zahlreicher israelischer Beobachter. Wenn nämlich Tag für Tag deutlicher wird, dass Israel zu Friedengesprächen unwillig ist, mehren sich die Chancen, dass der Druck der internationalen Gemeinschaft andere Lösungen ermöglicht. Der französische Außenminister Kouchner z.B. vertritt den Standpunkt, dass nichts dagegen spräche, einen palästinensischen Staat auf Grund der bestehenden UN-Resolutionen bereits auszurufen und anzuerkennen, bevor die Verhandlungen abgeschlossen seien.

Bibi stehen schwere Zeiten bevor. Er hat es sich selbst zuzuschreiben.

Serge Kennerknecht
[email protected]