Donnerstag13. November 2025

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Ausgehöhlte Demokratie

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Die Zeit veröffentlichte am 11.11.11. bitterernsten Klartext, auf der Titelseite: „Bis zur Krise beruhten die europäischen Institutionen darauf, dass die kleinen Länder gewissermaßen demokratisch gehebelt wurden. (...)

Nun aber setzt sich, wenn man so will, der Goldstandard der Demokratie – ein Mensch, eine Stimme – wieder durch. (…) Darum haben Merkel und Sarkozy nun die Führung, während Scheinriesen wie Jean-Claude Juncker oder José Manuel Barroso zu Randfiguren werden.“

Logo" class="infobox_img" />Alvin Sold [email protected]

Man rege sich nicht über die Form der neuen deutschen Arroganz auf, sondern über deren Begründung.

Goldstandard der Demokratie ist nicht mehr, unter Staaten, die Gleichberechtigung der Großen und der Kleinen, welche dieselben politischen Werte vertreten. Diese Gleichberechtigung, auf der nicht nur die EU, sondern auch UNO und NATO fußen, gilt nicht mehr. Mitten in der Schlacht um den Euro, die gegen die angelsächsischen Spekulanten gewonnen werden muss, nutzen drittklassige Mittelmächtefürsten die vermeintliche Gunst der Stunde: Sie erheben sich über die Partner, die weniger Menschen auf die Waage bringen.

Sind wir wieder da angekommen? Beim Wiener Kongress von 1815, der mit den Kleineren und den Kleinen umging als wären sie, wie schreibt die Zeit, Randfiguren? Was wären sie denn, wirtschaftlich, ohne die Klientel aus den kleineren und kleinen Ländern, dieses Merkel-Deutschland und dieses Sarkozy-Frankreich, die zusammen kein Drittel der EU-Bevölkerung stellen können?

Das Vorpreschen des französischen Präsidenten und der deutschen Kanzlerin, die beide wenig Aussicht auf eine Wiederwahl haben, entbehrt der politischen (im tiefen Sinne des Wortes) Legitimität, die Europa nach den zwei fürchterlichen Bürgerkriegen des 20. Jahrhunderts braucht. Das Projekt Europa wird unhaltbar, weil unerotisch, weil nicht liebenswert, wenn wieder Großspurige auftreten. Haben sie nichts aus der Geschichte gelernt, die Führer der Deutschen und der Franzosen?

Bei GS (Goldman Sachs), das sind die amerikanischen Finanzgenies, die dem hoch verschuldeten Mittal zur Übernahme von Arcelor verhalfen, freut man sich. Die Rechnungen gingen auf. In Griechenland regiert ein „Experte“, Papademos, der zu Hause Zentralbankchef war, zwischen 1994 und 2002, als die damaligen Regierungen Brüssel mit GS-Tricks in die Irre führten, in Italien regiert Monti, der seit 2005, nach seinem Mandat als EU-Kommissar, für GS arbeitet; an der Spitze der EU-Zentralbank steht nun Draghi, noch ein Ex-GS: Er war deren Vizepräsident für Europa von 2002 bis 2005.

Anscheinend waren es die „Märkte“, die solche „Experten“ den demokratisch gewählten Politikern vorschlugen, um die aus der Sicht des Großkapitals notwendigen Austeritätspolitiken durchzusetzen.

Die politischen Führungen mussten kapitulieren, weil die quasi gleichgeschalteten Mega-Massenmedien die Schuld nicht bei den Finanzhaien suchten, sondern, was mehr Audienz und daher mehr Werbung bringt, bei den Ministern in der Defensive.

Und damit wären wir bei der eigentlichen Kernfrage:
Warum lassen sich die demokratisch gewählten Politiker das Heft aus der Hand nehmen? Warum laufen sie den Experten hinterher, die fast ausnahmslos solche sind, die Falsches voraussagten?

Warum ziehen sie sich zurück?
In die Rolle des Untergebenen des Gutachters?
Oder gar ganz?

Wie in Luxemburg der Wirtschaftsminister, der seinen Job, den er wollte, einseitig bricht, vor dem Ende des mit dem Wähler geschlossenen Vertrags?

Wem nutzt die Aushöhlung der Demokratie?

Denen, die dank einer geschwächten Demokratie, einer solchen, die nicht mehr in der Lage ist, das allgemeine Interesse wahrzunehmen, Millionen und Milliarden scheffeln.

Er ist schon da

O.k., mag der geneigte Leser sagen. Aber was können wir Luxemburger tun?

Na! Interessieren wir uns mehr für Politik. Versuchen wir, u.a., durch Zeitunglesen, Zusammenhänge zu erkennen. Bereiten wir uns auf den fälligen Aufstand der Europäer gegen die Märkte und gegen Merkozy vor.

Und lassen wir die LSAP nicht gewähren, wenn sie Krecké auf die alte Manier ersetzte. Man nehme nicht den oder die Genehmste, sondern den gegenwärtig Besten.

Er ist schon da, in der Regierung.