Montag20. Oktober 2025

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Arbeitslose Grenzgänger

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Es weiß niemand ganz genau, wie viele Grenzgänger im vergangenen Jahr arbeitslos geworden sind. Es gibt in Luxemburg keine Statistik darüber. Man kann lediglich am Anstieg der Arbeitslosenzahlen in den jeweiligen Regionen um Luxemburg herum sehen, dass Grenzgänger arbeitslos geworden sind. Aber genaue Zahlen fehlen auch hier.

HELMUT WYRWICH
[email protected] 
 
Luxemburg hat sich zur Zeit des Arbeitsministers Biltgen auf europäischer Ebene aus der sozialen Verantwortung für seine Grenzgänger gestohlen. Biltgen setzte durch, dass Luxemburg gerade drei Monate für seine Grenzgänger direkt an die jeweiligen Staaten zahlt, aus denen die Grenzgänger kommen. Wie viel das jeweils ist und auf welcher Basis, ist nicht ganz klar. Wenn man schon nicht weiß, wie viele Grenzgänger arbeitslos geworden sind, dürfte man auch nicht wissen, wie viel Geld nach Deutschland, Belgien oder Frankreich zu überweisen ist.
Das System, nach dem Luxemburg arbeitet, ist ein einfaches: Grenzgänger dürfen in Luxemburg arbeiten, Sozialabgaben und Steuern und damit auch für die Arbeitslosigkeit bezahlen. Werden sie aber arbeitslos, dann werden sie nach Deutschland, Frankreich und Belgien zurückgeschickt und der jeweilige Staat soll bitte das Arbeitslosengeld bezahlen.
Sprich, ein Deutscher wird dann in das System Hartz IV geschickt, Ausdruck für den härtesten sozialen Absturz, den man sich in Westeuropa vorstellen mag, erfunden von einem Ex-Manager der saarländischen Stahlindustrie, die lange in Luxemburger Hand war und teilweise noch ist, und umgesetzt von der deutschen Sozialdemokratie, die sich heutzutage langsam dafür zu schämen beginnt.
In diesem System benutzt Luxemburg die Menschen, weigert sich aber, für sie die soziale Verantwortung bei Arbeitslosigkeit zu tragen.
Der Vorsitzende der Fedil, der in einer belgischen Zeitung dieses System angeprangert hat, ist dafür gescholten worden, dass er dies im Ausland getan hat. Dabei hat er nur eine bestehende Situation beschrieben und nicht einmal die Unwahrheit gesagt.
Luxemburgs Grenzgänger sind als Arbeitslose in Luxemburg rechtlos. Das Land will sie nicht. Das nach OECD-Statistik reichste Land Westeuropas schiebt sie ab. Luxemburg benimmt sich dabei nur wenig besser als Dubai und Abu Dhabi, wo die weltweit bewunderten Wolkenkratzer von Pakistanis gebaut werden, die nach Fertigstellung der Gebäude in Flugzeuge gesetzt und nach Hause geschickt werden.
Es ist nicht zu erkennen, dass sich Luxemburg darüber Gedanken macht, wie Grenzgänger sozial besser abgesichert werden können. Man kann sich hierzulande mit ruhigem Gewissen auf die Verfassung berufen. „Luxemburger sind vor dem Gesetz gleich“, heißt es darin. Mit anderen Worten: Die Ungleichheit der Grenzgänger ist per Verfassung festgeschrieben. Und der Arbeitsminister muss nicht einmal ein schlechtes Gewissen haben. Weil diese Ungleichheit verfassungsmäßig festgeschrieben ist, denkt auch niemand daran, entweder diesen Artikel zu ändern oder die Grenzgänger bei Arbeitslosigkeit gleichzustellen.
Werfen wir einen Blick über die Mosel: In der deutschen Verfassung steht: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ Im Nachbarland ist die Gleichheit vor dem Gesetz ein unveränderliches Menschenrecht. In Luxemburg ein eingeschränktes Bürgerrecht. Da müssen sich Grenzgänger nicht wundern, dass sie bei Arbeitslosigkeit keine gleichen Rechte haben. Proteste hat es dagegen hierzulande nicht gegeben. It’s a shame.