Äpfel und Birnen

Äpfel und Birnen
(Tageblatt/Gerard Jerry)

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Das Jahr neigt sich seinem Ende zu und so beginnt sie wieder, die Zeit der Rückblicke. Aus sportlicher Sicht gibt es dabei eine Menge zu berichten, war 2012 doch ein olympisches Jahr. Das schlägt sich auch in den diversen Sportlerwahlen nieder.

Bei der Kür zu Luxemburgs Sportlern des Jahres gestern Abend in Bad Mondorf kamen mit Marie Muller und Laurent Carnol zwei Athleten zu Ehren, die in London absolute Topleistungen brachten.

Philip Michel pmichel@tageblatt.lu

Auch bei der Wahl zu den Weltsportlern 2012 dominieren die Olympischen Spiele. So heißt der Topfavorit bei den Herren Usain Bolt. Eben jener Athlet, der den Spielen seinen Stempel aufdrückte wie sonst kein anderer. Aber brachte er auch die beste Leistung? Was ist Bolts Dreifach-Gold Wert im Vergleich zu einem Sportler wie Bradley Wiggins, der nicht nur das bedeutendste Radrennen der Welt dominierte, sondern zwei Wochen später in seiner Heimat dem immensen Erfolgsdruck standhielt und Olympiagold im Zeitfahren holte? Aber kann man in Zeiten des Generalverdachts überhaupt einen Radsportler auszeichnen? Und was ist mit Schwimmer Michael Phelps, der in London zum erfolgreichsten Olympioniken aller Zeiten wurde?

Wenn wir schon bei den in der Sportberichterstattung nie ausgehenden Superlativen sind: Mit dem Gewinn seines neunten Rallye-Weltmeistertitels zementierte Sébastien Loeb 2012 seinen Status als bester Autosportler aller Zeiten, während sein Namensvetter Vettel jüngster Dreifach-Serien-Weltmeister der Formel 1 wurde.

Vergleicht man die Popularität der Sportarten, dann dürften weder Bolt noch Wiggins noch Phelps eine Chance gegen Vettel und vor allem den „Überkicker“ Lionel Messi haben, beherrscht der Fußball doch die (Sport-) Welt. Wiegt man aber die Leistung mit der investierten Arbeit in Form von Trainingsumfang und -intensität auf, dann müssten Wiggins oder Phelps mit großem Vorsprung das Rennen machen. Schließlich ist kaum eine Sportart so trainingsintensiv und entbehrungsreich wie das Radfahren und das Schwimmen.

Da können die verwöhnten Fußballer nicht mithalten. Erst recht nicht, wenn es um das Preis-Leistungs-Verhältnis einzelner Sportarten geht. Natürlich sind Bolt oder Phelps millionenschwer, aber sie sind in ihrer Sportart die Ausnahmen. Dagegen beziehen selbst mittelmäßige Kicker großartige Gehälter.

Merke: Auch der Sport ist nicht gerecht. Genauso wenig wie die Sportlerwahlen. So hatte gestern Abend bei der Kür zu Luxemburgs Sportlern des Jahres jeder einzelne Kandidat gute Argumente in die Waagschale zu werfen. Gewinnen aber konnte pro Kategorie nur einer.

Marie Mullers geteilter fünfter Rang ist nichts anderes als das beste je von einer Luxemburger Athletin erzielte Olympiaresultat. In Anbetracht der unglücklichen Umstände im Kampf um Platz drei ist Mullers Leistung vielleicht sogar noch höher einzuschätzen. Wer aber auch hier ein Haar in der Suppe finden will, der beruft sich auf die vielen Gewichtsklassen im Judo, auf die kleinen Teilnehmerfelder und verweist auf insgesamt 28 bei den Olympischen Spielen vergebene Judo-Medaillen alleine bei den Frauen.

Dabei sein ist alles

Selbst innerhalb einer Sportart fällt ein Vergleich oftmals schwer. Ein Podium bei Olympia, ein Gelbes Trikot bei der Tour de France oder ein Klassiker-Erfolg, was ist im Radsport mehr wert? Und was ist prinzipiell von einem guten Jahr zu halten, in dem ausgerechnet der Saisonhöhepunkt bei den Olympischen Spielen in die Hose geht, wie zum Beispiel bei Tischtennis-Ass Ni Xia Lian?

All diese Fragen machen deutlich, dass bei Sportlerwahlen vor allem eins zählt: das olympische Motto „dabei sein ist alles“. Schließlich kann beim besten Willen niemand vergleichen, was nicht zu vergleichen ist. Gut, dass die Sportler das wissen, schließlich gehören Ranglisten, Ehrenplätze, Siegen und Verlieren zum Alltag eines jeden Athleten.