Samstag27. Dezember 2025

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KinoZwischen Sensibilisierung und Stigma: Die Psychopathologie des Jokers

Kino / Zwischen Sensibilisierung und Stigma: Die Psychopathologie des Jokers
Lady Gaga und Joaquin Phoenix in „Joker – Folie à deux“ Quelle: imdb.com

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„Joker – Folie à deux“, Fortsetzung von Todd Phillips’ Psychothriller „Joker“ von 2019, feiert diese Woche Kinopremiere. Mentale Erkrankungen spielen damals wie heute eine zentrale Rolle in dem Film. Wie gelingt das?

In den rund 85 Jahren ihres Bestehens hat die Figur des Jokers zahlreiche bedeutsame Interpretationsänderungen zwischen den Mächten des Guten und des Bösen durchlaufen. Todd Phillips’ „Joker“ (2019), dessen Fortsetzung „Joker – Folie à deux“ diese Woche in den Kinos anlief, markiert dabei einen wichtigen Moment: Wegen der Darbietung der psychischen Erkrankungen des Jokers wurde Philipps’ Film von 2019 von Kritikern und Zuschauern sehr gelobt. Viele nahmen die Inszenierung von Einsamkeit, Stigmatisierung und vom Kampf gegen psychische Erkrankungen als sensibilisierend wahr. Die pseudobulbäre Affektstörung, die Joaquin Phoenix als Arthur Fleck aufweist und sich in seinen unkontrollierten Lachausbrüchen manifestiert, wurde durch diesen Film nämlich einem breiten Publikum bekannt. Allerdings gab es auch kritische Stimmen, die befürchteten, dass der Film Stereotype über psychische Erkrankungen verstärken könnte.

Einige argumentierten, dass die Verbindung zwischen psychischer Krankheit und Gewalt, die im Film thematisiert wird, problematisch sei und zu einem verzerrten Bild von Menschen mit mentalen Erkrankungen führen könnte. Der Regisseur Todd Phillips habe versucht, eine Comic-Ikone in eine publikumswirksame psychologische Fallstudie zu übertragen. Einigen Kritikern zufolge läuft „Joker“ deshalb Gefahr, als eine Verherrlichung dessen wahrgenommen zu werden, was ein wütender Einzelgänger, der mit mentalen Störungen lebt, zu erreichen vermag. Die Frage, ob der Film einen Archetypus eines gewalttätigen Mannes in eine heroische Figur verwandelt – absichtlich oder nicht – wurde dabei mitdiskutiert.

Diagnose: undurchsichtig

Filmszene aus „Joker“ (2019) vom Regisseur Todd Phillips 
Filmszene aus „Joker“ (2019) vom Regisseur Todd Phillips  Foto: Niko Tavernise/Warner Bros. Ente

Obwohl der Film den Zuschauern identifizierbare Komponenten realer psychischer Störungen anbietet, bleibt die Psychopathologie im Allgemeinen undurchsichtig. Diese diagnostische Unschärfe hilft freilich dabei, eine Figur zu erschaffen, die einem breiten Publikum eine grobe Vorstellung der Belastung durch eine psychische Störung näherbringt. Doch dann kippt die Handlung von einem Porträt einer Person, die mit einer psychischen Störung kämpft und versucht, sich ein Leben aufzubauen, in die reine Überzeichnung eines Superschurken, der zum Idol einer undefinierten Masse der Abgehängten des Systems wird. Die Figur des Jokers macht es dem Film zur Pflicht, den Anspruch auf eine ernsthafte Charakterentwicklung aufzugeben und in den Comic-Modus zu wechseln.

Arthur Fleck, für den wir Empathie empfinden könnten, wird zu der bekannten Inkarnation des Bösen. Der Film nutzt Arthurs Kindheitstrauma sowie seinen Kampf mit mentalen Krankheiten, um die Sympathie des Publikums zu gewinnen, anstatt Abscheu vor seinen Taten zu erzeugen. Für viele zweifelnde Kritiker und auch Experten aus diesem Bereich sei dahinter ein bekanntes Klischee der Kinopsychologie zu erkennen: Die Figur hat nicht genug Liebe bekommen.

Mithin appelliert Arthur an die menschliche Neigung zum Selbstmitleid. In dieser Hinsicht ist die psychische Krankheit der Figur zufällig einer der zahlreichen Faktoren, die dazu beitragen, dass Arthur zum Joker wird. Seine Krankheit ist für die Gesamthandlung nur als Bindeglied wichtig, das die verschiedensten Aspekte von Arthurs Persönlichkeit miteinander verknüpft. Es wäre deswegen zu einfach, alle Handlungen des Jokers auf seine mentalen Gesundheitsprobleme zu reduzieren.

„Folie à deux“

Arthur Fleck (Joaquin Phoenix) und Harley Quinn (Lady Gaga)
Arthur Fleck (Joaquin Phoenix) und Harley Quinn (Lady Gaga) Quelle: imdb.com

Gerade die Fortsetzung nun, „Joker – Folie à deux“, hebt diese Reduktion wieder auffällig ins Bewusstsein. Allein der Titel, „Folie à deux“, ist ein Klassifikationsbegriff für eine spezifische Form der psychischen Dysfunktion, die auch unter dem Terminus induzierte wahnhafte Störung bekannt ist: So wird es bezeichnet, wenn eine Person selber nicht mit einer Krankheit lebt, bei der Wahn als Symptom auftritt, aber einem Betroffenen nahesteht und dessen Wahnsymptomatik übernimmt. Damit ist hier die Figur der Harley Quinn gemeint, gespielt von Lady Gaga, die zur Partnerin des Jokers wird. Auffallend ist an „Joker – Folie à deux“ vor allem der Umstand, dass der Film viel Aufwand betreibt, um die psychische Erkrankung des Jokers als Form der Schizophrenie auszulegen: Arthur legt sich sein Alter Ego, den gewalttätigen Joker, als Schutzidentität zu, um Kindheitstrauma zu überwinden. 

All dies wird in einer langen Verhandlung ausgeführt, die den Film sehr nahe an das Genre des Justizdramas führt. Zwischen psychiatrischer Anstalt, die oftmals die Züge des Gefängnisfilms annimmt, und dem Gerichtssaal hin- und herwechselnd, kann Regisseur Todd Phillips nicht auf jene Klischees verzichten, die diese Genres hervorgebracht haben: Da gibt es die Aufseher, die sich als sadistische Gewalttäter entpuppen, die Mitinsassen, die den ikonischen Joker gleichermaßen feiern wie verabscheuen, oder noch den ambitionierten und redegewandten Staatsanwalt, der auf den Schuldspruch zielt. Die Kritik an seiner eigenen Fangemeinde führt „Joker – Folie à deux“ freilich mit, so sehr ist der Film mit einem allumfassenden Gefühl des Zynismus beladen, ohne dabei aber zu sich selbst in Distanz treten zu können.

Die Figur des Jokers

Der Joker ist nicht nur ein Schurke der Populärkultur, sondern auch ein Symbol für Chaos und die dunklen Seiten der menschlichen Natur. Als der Gegenspieler des Superhelden Batman wurde er erstmals 1940 in dem Comicheft „Batman #1“ von Bill Finger, Bob Kane und Jerry Robinson eingeführt. Der Charakter ist als Batmans Erzfeind bekannt und wird oft als chaotischer, unberechenbarer Psychopath dargestellt, der eine Vorliebe für Anarchie und dem Spiel mit dem Leben anderer hat. Im Laufe der Jahre hat der Joker viele verschiedene Interpretationen erfahren.

Da gibt es zunächst Cesar Romeros Interpretation in der 1960er-Jahre-TV-Serie „Batman“ sowie in dem dazugehörigen Film. Darin spielte Romero den Joker mit einem humorvollen Anspruch und dem Ansatz des „camp“, dem Jack Nicholson in Tim Burtons „Batman“ von 1989 folgte. Nicholson brachte eine düstere, aber auch charmante Version des Jokers auf die Leinwand, die den Charakter in die Massenkultur einführte.

Mark Hamill, bekannt für seine Rolle als Luke Skywalker in der „Star Wars“-Saga, lieh seine Stimme dem Joker in der animierten Serie „Batman: The Animated Series“ sowie in zahlreichen Videospielen und Filmen. Eine gewagte und aufsehenerregende Neuinterpretation der Figur gelang Heath Ledger in seiner Rolle im Film „The Dark Knight“ (2008) von Christopher Nolan, für die er posthum einen Oscar gewann. Seine Darstellung des Jokers als psychotischer Terrorist wurde von Kritikern und Fans gleichermaßen gefeiert und gilt als eine der besten Schurken-Darstellungen in der Filmgeschichte. Hier wurde indes auch die Kritik laut, die Konstruktion der Figur diene als intertextuelle Ressource für andere stigmatisierende mediale Darstellungen, die den Wahn massentauglich als Ausdruck von Terrorismus lesen.

In „Suicide Squad“ (2016) und weiteren Projekten brachte Jared Leto eine moderne, tätowierte Version des Jokers auf die Leinwand, die ebenso umstritten diskutiert wurde. Diese Kontroversen, die die Figur und ihre mediale Repräsentation umgeben, sollten nicht nachlassen. Auch nicht, als Joaquin Phoenix 2019 in „Joker“ ebenfalls mit einem Oscar für seine Darstellung eines geschundenen, psychisch kranken Mannes geehrt wurde. Phoenix spielt den sozialen Außenseiter Arthur Fleck, der zum Joker wird. Der Film ist als eine tiefere psychologische Analyse des Charakters und seiner Motivation angedacht, die gerade aufgrund der korrelierenden Darstellung von mentaler Krankheit und Gewaltverbrechen sehr gemischte Reaktionen hervorrief.

Zap
4. Oktober 2024 - 12.17

Das Beste an den Batman Bösewichtern ist immer, wenn der Regisseur es schafft, kleine Momente des Verständnisses und sogar Wiederfindens beim Zuschauer zu erregen, ohne dabei die Action und Grössenordnung zu vernachlässigen. Auch ist die Justiz und Politik in den Filmen immer präsent. Und ich glaube deshalb hat Batman auch Erfolg. Nicht vergleichbar mit Spiderman oder Superman.