Donnerstag23. Oktober 2025

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Zwischen Parallelwelten

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„Sex, Drugs & Rock ’n’ Roll!“: Was für viele – dem salonfähigen Punk sei Dank – nichts anderes als reiner Zeitvertreib ist, ist für andere Teil eines unerbittlichen Überlebenskampfs. Davon zeugt „Raised by Wolves“, eine schonungslose Porträtserie des US-amerikanischen Magnum-Fotografen Jim Goldberg.

Im Mittelpunkt seiner mehrjährigen dokumentarischen Arbeit steht Tweaky Dave, ein junger Rebell, der von der Grausamkeit und Schutzlosigkeit des Lebens für alle Ewigkeit gezeichnet ist. Er war erst zehn, als ihm sein Vater eine Kugel durch den Körper jagte. „Der Rest ist Schweigen“, heißt es angesichts des verwahrlosten Lebens in den Straßen von San Francisco und Los Angeles, in denen Tweaky Dave aufgewachsen ist.

Ein Hauch von Anarchie

Es gibt wohl kaum einen anderen Fotografen, der das Elend der Straßen emotionsgeladener ablichtet als Jim Goldberg. Und mit der Wahl von Goldberg, zeigt das CNA wieder einmal sein unglaubliches Gespür für die bahnbrechendsten und richtungsweisendsten Lichtbildner unserer Zeit.

Denn Goldberg belässt es nicht beim schlichten Abdruck schockierender Momentaufnahmen. Vielmehr verziert er seine wahllos angeordneten Abbildungen mit nostalgisch biografischen Schriftzügen und mit effektvollen grafischen Elementen, mittels derer er, trotz aller Trostlosigkeit und Tristesse der Dekadenz, seinen Zeugnissen einen Hauch von Poesie und Zerbrechlichkeit einzuhauchen versucht.

Doch die verblüffenden Patchworks und Fotomontagen von Goldberg sind nicht die einzigen Arbeiten, die das CNA zurzeit ins Schaufenster stellt. Sechs weitere Künstler vereint die Ausstellung „Ecotone“ – der Terminus bezeichnet den Übergangsbereich zwischen zwei verschiedenen Ökosystemen –, in der Kuratorin Michèle Walerich Neuland betritt. Denn zum ersten Mal seit der Eröffnung der hauseigenen Kunstgalerie präsentiert das CNA eine Kunstinstallation. „Somewhere else“ betitelt die in London lebende Künstlerin Justine Blau ihr plakatives Kunstwerk, das aus unzähligen Komponenten der digitalen Fotografie zusammengesetzt ist, aus denen sie zwei exotische Parallelwelten schöpft.

Neben Roger Wagners naturnahen Fotografie eines Waldstücks im Stadtteil Brüssel-Heysel, dessen Duft der Betrachter förmlich in die Nase steigt, der Videoinstallation des luxemburgischen Künstlerpaars Gast Bouschet und Nadine Hilbert und dem sinnlich dichterischen Stillleben des New Yorker Fotografen Eugene Richards, zeigt das CNA das Werk des preisgekrönten israelischen Fotografen Nadav Kander.

Zwischen 2006 und 2007 beobachtete und porträtierte Kander die Zivilisation, die sich entlang des längsten Flusses Chinas, dem Yangtse, angesiedelt hat und hielt in imposanten Bildern nicht nur die Naturgewalt dieses 6.300 Kilometer langen Wasserlaufs fest, sondern auch die schöpferische Kraft der Menschen, die rund um den Fluss unentwegt eine Welt errichten, die stets im Wandel ist, sich von Tag zu Tag zunehmend verändert und die nimmermehr in dem Zustand wiedergefunden wird, in dem sie einst verlassen wurde.